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alt-J – Relaxer

Ein Beitrag von Jonas
vom

Nach drei Jahren Warten ist es endlich so weit. alt-J bringen mit Relaxer ihr drittes Werk heraus. In welche Richtung geht es für die Indie-Rock-Band?  

Alt-J im Funkhaus Berlin
© Mads Perch

Alt-J – Kommerz oder Avantgarde?

Man kann wohl ohne Lug und Trug behaupten, dass alt-J zu den prägendsten Bands des aktuellen Jahrzehnts zählen. „An Awesome Wave“ gehört in jede gut sortierte Plattensammlung und auch der Nachfolger „This Is All Yours“ war nicht weniger genial. Eigenwillig, aber trotzdem poppig. Experimentell, aber trotzdem melodisch. Alt-J hat das geschafft, woran sich viele Bands, die Zähne ausbeißen. Zu Recht füllt die Band in Europa und den USA die ganz großen Hallen und hat dabei ihren individuellen eigenen Stil. Frickelige, fast nerdige Synthie-Sounds treffen auf den mehrstimmigen Gesang von Joe Newman und Gus Unger-Hamilton. Nun steht nach drei Jahren Warten das dritte Album „Relaxer“ an und wir sind gespannt in welche Richtung es für die Band aus Leeds geht. Versucht die Band zukünftig mit großen Popsongs in die Stadien zu kommen?

Mit der ersten Auskopplung „3WW“ schickte die Band einen Song ins Rennen der nicht wirklich nach Leadsingle klang. Der Song plätschert leise vor sich hin bis nach über eineinhalb Minute der Gesang einsetzt. Verstärkung bekamen die beiden Herren hinter dem Mikro von der Wolf-Alice-Sängerin Ellie Rowsell. Mit Sicherheit ein guter Song, aber ein Hit wie „Breezeblocks“ oder „Something Good“ ist er nicht. Vielleicht soll er es auch einfach nicht sein. Mit der zweiten Single „In Cold Blood“ lieferte das Trio den kommerziellsten Song als zweite Single. Treibende Synthesizer, catchiger Chorus. Genau so hatten wir alt-J auf den ersten beiden Platten kennen und lieben gelernt. So richtig wussten wir also noch nicht in welche Richtung es mit „Relaxer“ gehen würde.

Alt-J – Relaxer – Jeder Song ein neues Erlebnis

Auch auf den Album finden sich die Singles direkt am Anfang. Dann folgt ein Song den man beim ersten Hören nicht so richtig einzuschätzen weiß. Erst beim zweiten Mal und lesen des Titels dämmert es einen. „House of the Rising Sun“ – der Klassiker der Animals in Super-Slow-Motion. Aber muss das wirklich sein bei einer Band, die sonst grandiose Melodien locker aus dem Ärmel schüttelt? „Hit Me Like That Snare“ startet mit metallischen Klängen in Einstürzende-Neubauten-Manier zu der sich später Garagen-Rock-Gitarren und der Gesang, bzw. Geschrei von Joe Newman gesellen. „Deadcrush“ wird von fetten Beats getragen. Bereits nach etwas mehr als der ersten Hälfte des Albums wird klar. „Relaxer“ ist spürbar anders als seine beiden Vorgänger. Während die beiden ersten alt-J-Alben wie aus einem Guss klangen und die Songs fast ineinander übergingen. Lebt das dritte Werk von starken Brüchen. Jeder Song ist ein neues Erlebnis und spielt mit anderen Genres.

Während sich für „Adeline“ eines Chors bedient wird, verstärkt bei „Last Year“ erneut eine weibliche Stimme das Duo alt-Js. Nach unserer Einschätzung müsste sich hierbei um Elena Tonra von Daughter handeln. Die Folkige Akustikgitarre erinnert an Daughters Debüt-Album und trifft auf die typischen alt-J-Klänge. Ein wahrer Hochgenuss und mit Sicherheit einer der stärksten Songs der Platte. Nach Folk, Garage-Rock und Hip-Hop-Einflüssen wird auch bei „Pleader“ dem letzten Song ganz tief in musikalische Repertoire gegriffen. Das Finale von „Relaxer“ wirkt verspielt und dennoch etwas düster – wie ein Soundtrack von einem Tim-Burton-Film.

Lieber Radiohead als Coldplay

Die Tür zum ganz großen kommerziellen Durchbruch stand sperrangelweit auf. Doch die Band aus Leeds entscheidet sich dagegen. Die Zeit der großen Hits scheint zumindest auf „Relaxer“ vorbei zu sein. Doch irgendwie will nicht der Eindruck verschwinden, dass es eine bewusste Entscheidung der Band war. Relaxer ist komplizierter und anspruchsvoller als seine Vorgänger. Keine angenehme Bootsfahrt auf einem seichten Fluss, sondern eine Wildwasserfahrt mit Höhen und Tiefen, bei dem man zu jedem Zeitpunkt einige Mitfahrer verlieren könnte. Die Band scheint für die Zukunft lieber den Radiohead-Weg als den Coldplay-Weg einschlagen zu wollen . Ob das auch klappt, werden wir in Zukunft sehen.

Video: Alt-J – In Cold Blood

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