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Reingehört // Herrenmagazin – Sippenhaft

Ein Beitrag von Philipp
vom

Mittlerweile muss man die Hamburger Band Herrenmagazin um Deniz Jaspersen, Rasmus Engler, Paul Konopacka und König Wilhelmsburg zum festen Bestandteil der deutschen Indieszene zählen. Am 07.08. erscheint nun bereits ihr viertes Studioalbum „Sippenhaft“.

Herrenmagazin Sippenhaft Pressefoto Band
© Chantal Weber

Wenn eine Band seit 11 Jahren besteht, das vierte Album herausbringt, und landauf, landab auch durch ihre Tourneen bekannt ist, dann sind Welpenschutz und Newcomer-Bonus definitiv vorbei, dann hat man eine gewisse Grunderwartung an das Album. Gleich vorweg: Herrenmagazin liefern ordentlich ab.

Hamburger Schule

Die Jungs haben nie einen Hehl daraus gemacht, woraus es Ihnen bei ihrer Musik ankommt. Da geht es um Ehrlichkeit, da geht es um das, was Einen zum aktuellen Ich macht, da geht es nicht unwesentlich darum „endlich wieder Zeit für das Wesentliche zu haben: Saufen“ (Zitat!), und auch das ist ehrlich, und es geht um da, wo man herkommt, in diesem Fall Hamburg. Und all dies schaffen Herrenmagazin: das Album klingt hanseatisch, sowas von nicht schwülstig, sondern direkt, vom Sound her krisp wie die Schulband in der Aula damals, an die man sich heut noch gern erinnert. „Ehrenwort“, der Opener der Scheibe, beginnt mit zarten Klavierklängen, die sich dann auch wie ein wiederkehrendes Motiv durch irgendwie alle Nummern ziehen und zu dem schön melancholischen Gesamtbild beitragen. Man hört ein gehöriges Stück Element of Crime raus, auch ein wenig Tomte oder Kettcar. Trotzdem sind die Jungs durchaus authentisch.

Jaspersens Stimme klingt so schön teeniemäßig klagend, und die im Refrain fast schon orchestral anmutenden Harmonien lassen das im Text gegebene Versprechen „noch im Schutt, noch im Staub, noch im Stillen, bin ich Dein“ herrlich resigniert klingen. Resigniert deshalb, weil Herrenmagazin auf dem Album ganz viel Auseinandersetzung mit all den offenen und versteckten Erwartungen des eigenen Elternhauses und Umfelds betreiben, die Einen nicht nur überfordern, sondern Einen auch ein Leben lang verfolgen. So wartet denn auch „Halbes Herz“ mit der Zeile „Doch bei einem halben Herzen / Kommt nie der ganze Mut zusammen. / Du kannst die Dinge nicht verwerfen / Nur um sie irgendwo wieder aufzufangen.“ auf. Dazu gehört ein treibendes Schlagzeug, und trotz des durchaus ernsten Themas hat man das Gefühl, beim Hören direkt im Sonnenuntergang laut singend in der Menge beim Festival zu stehen. „Alles so bekannt“ holt Einen dann allerdings von diesem kurzen Höhenflug runter. Jaspersen versucht sich hier mit monotoner Sprechstimme in den Strophen, bevor der Refrain zumindest tonal etwas erlöst. Das klingt irgendwie dröge; im Kontext der Platte insgesamt kommt das ein Bisschen so, als würde das Gewissen von hinten flüstern und einfach nicht die Fresse halten.

Die erste Midlife Crisis hatte ich schon mit 14

Danach kommt mit „Sippenhaft“ der Namensgeber des Albums. Bei den ersten Gitarrenakkorden denke ich kurz, ich habe aus Versehen ins Jahr 1968 geswitched und Donovan kommt mit Atlantis aus der Gruft, aber weit, ganz weit, gefehlt: hier bringen Herrenmagazin sowohl musikalisch als auch textlich das Thema des gesamten Albums dermaßen auf den Punkt, hier kann sich wirklich jeder in seinen eigenen Kämpfen um Abnabelung vom Elternhaus wieder erkennen, hier kann auch der junge Familienpapa mal nachgrübeln, ob das jetzt echt schon Alles war. Das ist der Soundtrack für den Studenten in der Examensvorbereitung oder den Abiturienten in den letzten Minuten vor der Mündlichen, wo man sich fragt, warum man eigentlich diesen ganzen Scheiß macht. Die Zeile „Was habe ich mir nur vorgemacht / Als ich vom freien Leben sprach. / Denn bei jedem kleinen Schritt / Beurteilst du die Dinge mit.“ und die finale Aussage „wo wurde ich da nur reingeboren ?“ sprechen für sich. Herrlich. Mama wäre todunglücklich, wenn sie wüsste, was Bubi denkt – sie wollten doch nur sein Bestes…und haben ihn fürs Leben im Leistungsdruck traumatisiert.

Ach, ich könnte noch so viel sagen

Herrenmagazin gelingt es, Songs zu präsentieren, die man tatsächlich auch feiern kann, die man aber auch mit Tränen in den Augen anhören kann, wenn man mal wieder das Gefühl hat, das eigene Leben komplett vermasselt zu haben. Und in dem Punkt ist es dann auch der Sonnenstreif am Horizont. Scheitern gehört zum Geschäft, und es ist eben nicht das Ende der Welt, in der Schule `ne schlechtere Note als der blöde Patrick zu haben, oder statt den Doktortitel nur ein solides Handwerk zu machen. Und – man ist nicht allein mit all den Gedanken an persönliche Niederlagen. Das nenn ich ehrlich.

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