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Reingehört // Gloria – Geister

Ein Beitrag von Philipp
vom

Wie schon beim Debütalbum zeigt sich Herr Heufer-Umlauf hier mal von einer ganz anderen Seite, die denen, die seine Sendungen verfolgen, eh gefallen wird, die den Mann & seine Band Gloria aber auch für alle Anderen so richtig sympathisch macht.

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© K.Hintze

Nach dem selbstbetitelten Debütalbum Gloria aus 2013 erscheint nun am 07.08.2015 das zweite Album des Duos Gloria. Hinter dem Namen verbergen sich Mark Tavassol, nach wie vor besser bekannt als Bassist der Band „Wir sind Helden“, sowie als Sänger, Texter und Frontmann Klaas Heufer-Umlauf. Letzteren wiederum kennt die breite Masse aus den TV-Formaten „Joko und Klaas“ bzw. „Circus Halligalli“. Nun sind dies Blockbuster-Sendungen, die doch eher zur geistigen Entspannung anregen, um es diplomatisch zu formulieren. Sollte man daher mit dem sich dann und wann einschleichendem Schubladen-Denken an das Album herangehen und die musikalische Untermalung für den nächsten Ballermann-Besuch erwarten, wird man – positiv – überrascht.

In der Ruhe liegt die Kraft

Der erste Track „Heilige und Hunde“ führt so ganz behutsam in das Gesamtwerk ein; sparsam instrumentalisiert bietet die Musik die Bühne für die Stimme Heufer-Umlaufs, der man wirklich gern zuhört. Unaufdringlich ist diese Stimme, an den ganz ruhigen Stellen des Songs so aus dem Mix gestellt, dass man tatsächlich das intime Gefühl hat, Klaas würde nah, vielleicht etwas zu nah, abends am Ende der Party auf der Couch neben einem sitzen, wenn fast alle Gäste gerade gegangen sind und die Flaschen noch leer gemacht werden müssen. Jeder kennt diese Stimmung in den frühen Morgenstunden, wenn auf einmal die tiefergehenden Themen ausgepackt werden, wenn selbst die sonstigen Partylöwen mal menschlich und melancholisch werden. Von genau diesen Momenten ist das Album gefüllt bis zum Anschlag. „Geister“, die am 24.07. erschienene Single und Namensgeber der Platte, ist da im Verhältnis fast schon die Partynummer der Platte, mit publikumswirksamem Mitsing-Refrain. Mit „Das, was passiert“ wird`s dann etwas rockiger im Beat, und spätestens hier muss man mal über die Inhalte der Texte sprechen. Nun ist es nicht so einfach, deutsch zu texten, immer läuft man Gefahr, dass man auf dem Geschmacksbarometer entweder zu kitschig oder zu hochgestochen wirkt. Mit Zeilen wie „Leben ist das, was passiert, wenn Du woanders so beschäftigt bist“ gewinnt man nun nicht mehr den Grimme-Preis für kreative Sprachanwendung und begibt sich in kritische Nähe zur pseudointellektuellen Plattitüde. Aber Heufer-Umlauf’s Gloria umschifft diese Klippen dann doch noch, da man dieser Stimme durchaus abnimmt, dass das nicht nur Gequassel für den Charterfolg ist.

Ich denke, also bin ich

In Zeiten, in denen man zunehmend das Gefühl hat, dass der Großteil der Mitmenschen unter Selbstreflektion allenfalls noch das Pickel-Überschminken morgens vorm Spiegel versteht, sind die Texte Heuer-Umlaufs fast schon angenehm fordernd. Zu vielen Songs kann man nachdenken und sich selbst bei manchem Gedankengang wiedererkennen. Das funktioniert allerdings nicht bei jeder Nummer. Teils übertreibt der Poet es dann doch mit abstrakten Metaphern, so zum Beispiel in „Das Seil“ („Wir sind….wie die grüne Wiese, aus blau und gelb“). Dann aber kommt mit „Stolpersteine“ der absolute Gegenentwurf zu einem Stimmungskracher. Für den Nichteingeweihten sei mitgeteilt, dass in Berlin (und mittlerweile in vielen Städten) sogenannte Stolpersteine vor Wohnhäusern namentlich an Verfolgte des Nazi-Regimes erinnern, die hier zuletzt freiwillig lebten, bevor sie deportiert wurden. Klaas schafft es einen Beitrag zur Erinnerung zu leisten, indem er eine höchst persönliche, private Form des Gedenkens schildert. Die musikalische Untermalung passt hierzu bestens, der Bass (angereichert mit viel Elektro) zeichnet wunderbar das Bild holpriger Wege. Wem solche Themen zu „politisch“ sind oder wer solch „Gutmenschentum“ nicht leiden kann, für den ist das ganze Album und vielleicht auch Gloria nichts, denn wirklich erquicklich ist diese Musik nur, wenn man sich eben auch geistig darauf einlassen kann und mag.

Grübeln und Aufatmen

Das Album tröpfelt in dieser Form, vom Ruhigen zum etwas Lebhafterem, weiter bis zum Ende, wobei „Stolpersteine“ irgendwie den Absatz in der Mitte bildet, um dann nochmal loszulegen. Die Songs regen zum Denken an, oft sogar zum tiefergehenden Grübeln, das ist keine Musik, um eine Party so richtig zum Laufen zu bringen, eher schon die Rausschmeisser-Nummer, ohne das negativ zu meinen. Wenn man überhaupt Haare in der Suppe finden will, dann ist es, dass dieses Album vorüberzieht, ohne an einer Stelle mal so richtig auszubrechen. Die Stimme ist schön, aber bewegt sich sowohl tonal als auch emotional immer schön in der Mitte. Musikalisch kommt im Prinzip immer genau das als Nächstes im Song, was man erwartet. Nach grüblerischen Stellen kommt immer der Moment der seichten Erlösung, sei es mit einem Wechsel auf Dur oder mit einem harmonischen Refrain. Gäbe es in der Musik eine „neue Mitte“, dieses Album wäre der Prototyp. Bleibt die Frage, ob Gloria noch independent ist; eigentlich ist das durch und durch Pop im Sinne von Populärmusik, wäre da nicht die Nachdenklichkeit.

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