2013 veröffentlichten Chvrches ihr Debüt „The Bones of What You Believe“. Binnen kürzester Zeit katapultierte sich das Album zu einem der größten Dinger des ganzen Jahres. Irgendwas hatte dieser reduzierte Synth Pop gepaart mit der quirligen Stimme Lauren Mayberry’s einfach. Auf „Every Open Eye“ zeigen sich Chvrches wesentlich weichgespülter.
Glasgow hat ja schon so einige große Bands ausgespuckt. Franz Ferdinand, Glasvegas, Travis und Primal Scream um nur kurz einige zu nennen. 2013 gesellten sich auch Chvrches zu diesem illustren Kreis. Die Presse liebte sie abgöttisch, die Fans feierten sie frenetisch. Chvrches gehörten zum elitären Kreis der neuen Generation Synth Popper. Alles ging, nichts war unmöglich schon gar nicht, dass das zweite Album „Every Open Eye“ ein Flop werden könnte. Denkste!
Es klebt am Schuh
Die ersten fünf Songs auf dem Album sind Chrvches Songs wie aus dem Bilderbuch. „Never Ending Circles“ fasst perfekt die Originalität und Ideen des Debütalbums „The Bones of What You Believe“ zusammen. Es folgt die erste Single „Leave A Trace“. Unwillkürlich beginnt man mit dem Kopf zu wippen, mehr Ekstase ist man von Chrvches auch kaum gewohnt. Spätestens mit „Keep You On My Side“ scheint der Drops längst gelutscht. Kopfhörer auf, Sneaker geschnürt, ab auf die Straße. Fühlen, entdecken, erleben, das Pulsieren der Stadt spüren. Chvrches machen alles richtig. Leider klebt „Make Them Gold“ dann wie ein frisches Kaugummi am Schuh und will einfach nicht abgehen. „Clearest Blue“ tröstet wenigstens ein wenig darüber hinweg. Zwar zieht es sich ähnlich wie der klebrige Freund unterm Schuh, aber immerhin hat es noch genug Energie um ihn loszuwerden.
Auf der zweiten Hälfte des Albums passiert Chvrches dann Unerklärliches, sie verlieren sich selbst. Lauren Mayberry schaukelt ihre Stimme weiterhin in Spähren, die sie besser nicht besingen sollte, für die man sie aber auch irgendwie einfach knuddeln mag. Straffe Beats und spannende Hooks gehen Chvrches völlig abhanden. Möchte man einem Song noch Hit-Qualitäten andichten, dann wäre das wohl am ehesten „Bury It“, der auf dem Debütalbum allenfalls ein guter Bonus-Track gewesen wäre. Apropos Bonus Tracks. Chvrches spendieren gleich vier zusätzliche Tracks auf der Deluxe Edition von „Every Open Eye“. Insbesondere „Get Away“ und „Bow Down“ sind zwei Perlen, die lieber unter die 11 Songs des Albums gehört hätten, als versteckt am Ende der Deluxe Edition.
Chvrches im Schongang mit jeder Menge Weichspüler
Chvrches „The Bones of What You Believe“ lässt sich am besten mit einem absoluten Lieblings-T-Shirt beschreiben. Man hat es seit Jahren und Jahrzehnten. Die Farbe ist längst verblichen, der Print verwaschen. Man trägt es nicht mehr oft, um möglichst zu konservieren, was noch da ist. Hier und da gibt es vielleicht den ein oder anderen Schönheitsfleck. Aber das macht nichts, es ist schließlich DAS Lieblings-T-Shirt. Doch eines Tages kommt jemand auf die Idee, es mit einem tollen neuen Waschmittel weichzuspülen. Die Flecken verschwinden, die Farben stechen wieder heraus, die Erinnerungen wie weggespült. „Every Open Eye“ ist das Ergebnis eines harten Pop Waschgangs. Es ist zwar noch das T-Shirt, aber nicht mehr dasselbe. Glücklicherweise ist noch ein wenig vom Schmutz von „The Bones of What You Believe“ zurückgeblieben, sodass spätestens zum dritten Album dieser kurze Weichspüler Schongang vergessen sein dürfte. Ich geh mein Lieblings-T-Shirt auf jeden Fall vorsorglich in Sicherheit bringen für die nächsten paar Jahre.