2016 scheint ein glorreiches Jahr für deutschen Indie zu sein. Nach vielen spannenden Debüts erscheint am 14. Oktober ein weiteres packendes Erstlingswerk. Gurr, das Garage-Rock-Duo aus Berlin bringen ihr erstes Album heraus. Wir haben in „In My Head“ rein gehört!
Gurr – eine Vorband, die im Gedächtnis blieb
Vorbands sind wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie was man kriegt. Das Zitat von Mrs. Gump lässt sich auf viele Lebenslagen anwenden. Doch am 16. Mai 2015 erlebte ich eine besonders schmackhafte Vorband. Best Coast spielte damals im Bang Bang Club. Als Support hatten sie Gurr – ein Garage-Rock-Trio aus Berlin dabei. Mit ihrem ungeschliffenen Sound voller Spielfreude hatte mich die Band sofort. Auch der Mainact aus Kalifornien lieferte eine gute Show ab, doch ins Gedächtnis brannte sich vor allem die lokale Band. Fast eineinhalb Jahre sind seitdem vergangen. Doch für Gurr geht es seitdem stetig bergauf. Inzwischen ist aus dem Trio ein Duo geworden, das bei Live-Shows von einem Drummer und einer Bassistin unterstützt wird.
Moby Dick schafft es sogar über den großen Teich
Nach der EP „Furry Dream“ aus dem letzten Jahr – über der noch ganz fett das Lo-Fi-Siegel ragte, erschien Ende Juli der erste Vorbote des Albums. Mit „Moby Dick“ hatte sich Gurr endgültig in die Herzen der Indie-Gemeinde gespielt. Die Punk-Attitüde der EP rückte etwas in den Hintergrund und wurde gegen relaxten Surf-Pop eingetauscht. Getanzt wurde trotzdem. Nachdem man mit der ersten Auskopplung sogar in einigen US-Medien für Wirbel sorge, folgte mit der herbstlichen Doppelsingle „Walnuss / Walnuts“ der zweite Song, mit dem das Duo erneut seine Vielseitigkeit unter Beweis stellte. Auch melancholische Töne und deutsche Texte funktionieren prima. Doch nun erscheint mit „In My Head“ endlich das Debütalbum der beiden Wahlberlinerinnen. Neben den beiden Singles erscheinen neun frische Songs. Auch wenn es heute bei vielen Newcomern State of the Art zu sein scheint, dass das Album praktisch nur ein Best-Of der EPs ist (Gruß an AnnenMayKantereit an der Stelle), haben sich Andreya Casablanca und Laura Lee Jenkins dagegen entschieden Songs von „Furry Dream“ zu übernehmen. Vielen Dank dafür! Auf wieder warm gemachte Songs aus der Mikrowelle steht doch niemand so wirklich.
In My Head – ein Album wie aus einem Guss
Das Duo hat das auch gar nicht nötig. Gurrs Debüt ist von vorne bis hinten eine verdammte runde Sache. Es fällt einem fast schwer einzelne Songs hervorzuheben. Die ungeschliffenen Garage-Rock-Elemente der EP treten immer wieder in den Vorschein, wirken aber gebändigter und definierter (#1985, Rollerskate), mal wird es sogar noch eine Stufe heavier (Diamonds). Andreya holt mal die Punk-Rock-Röhre raus (Klartraum). In anderen Songs bildet sie mit Laura wunderbare Harmonien in Warpaint-Manier. „Yosemite“ lässt sich von seinen psychedelischen Gitarren tragen und „Free“ wirkt fast ein bisschen verträumt. „In My Head“ ist ein äußerst vielseitiges Album in der jeder seinen persönlichen Liebling finden sollte.
Gerade deshalb ist es vielleicht auch etwas schwierig Vergleiche zu ziehen. Ich fühle mich noch am ehesten an den Lo-Fi-Sound der West Coast erinnert und würde Namen wie Wavves und Best Coast aus der Referenz-Tombola zaubern. Kein Wunder. Nachdem sich die beiden durchs gemeinsame Studium in Berlin kennenlernten, lebten sie auch einige Zeit in den USA und spielten dort einige Gigs. Ehrlich gesagt finde ich Gurrs Debüt fast sogar besser als die nordamerikanischen „Originale“. Der Band ist es gelungen sich nach ihrer EP strikt weiterzuentwickeln, der Rohdiamant wurde weiter geschliffen, ohne dabei aber seine Wurzeln zu vergessen. Das Ergebnis ist ein Album, welches einen festen Platz in den Annalen des Jahres 2016 haben wird. Über der ganzen Platte ragt ein Gefühl der Leichtigkeit, das sich anfühlt wie ein schwereloser Tanz auf einer Gitarrensaite. Von den vielen tollen deutschen Newcomern, die dieses Jahr ihr Debüt veröffentlichen, traue ich Gurr am ehesten den internationalen Durchbruch zu. Auf dem ersten Tourplan stehen neben Berlin, auch Paris, London und Brighton. Aber wir werden sehen. Zu gönnen wäre es Gurr auf jeden Fall.