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Grad gefragt – „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum, oder?“

Ein Beitrag von Philipp
vom

Nietzsche wusste es, wir sind uns da auch recht sicher, aber wie sieht es mit dir aus? Denkst du auch ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum? Dann willkommen auf der sonnig musikalischen Seite.

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© Kristina Litvjak

„Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. – Friedrich Nietzsche“ Einer dieser Sätze, die wahrscheinlich auf einer unendlichen Anzahl an lebensbejahenden Spruchkalendern gedruckt sind. Sie hängen in Wartezimmern von Arztpraxen und erzkonservativ geprägten, nennen wir es beim milieuinternen Namen, Stuben. Dort verharren sie stoisch als Teil der „netten“ Wanddekoration und der ehemals tiefere Sinn ihrer, selbstverständlich in Schönschrift gedruckten, Botschaften nutzt über die Jahre immer weiter ab.

Ein Leben ohne Musik, wie ein Helene Fischer Konzert

Es wäre ja eigentlich alles halb so wild, müsste man diese Orte eben nicht hin und wieder passieren, eventuell sogar ein wenig in ihnen ausharren und währenddessen den inneren Konflikt fast gewaltsam niederringen. „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.“ Ich gebe ja zu, prinzipiell durchaus eine wahre Aussage. Eventuell sogar zustimmenswert. Dem eigenen inneren Kopfnicken folgt aber konsequent und unbarmherzig das innere Erröten. Wer solchen Sätzen zustimmt, rückt dem gefürchteten Kleinbürgertum unweigerlich ein gutes Stück näher. Und von da aus ist es nur ein kleiner Schritt bis zum Helene Fischer Konzert, habe ich mir sagen lassen.

Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum – mehr als ein Nietzsche Zitat

Überhaupt, von welcher Musik spricht denn dieser Kalender überhaupt? Welchen Hit der 80er, 90er, oder dem Besten von heute hörte der Produktmanager der Großdruckerei wohl gerade im Radio, als er dachte: „Ach, das ist doch ein schöner Satz. Und nach wie vor so aktuell. Musik hören die Leute doch immer! “Ja, genau „immer!“ Und leider auch immer unreflektierter. Im Schnitt wird ein Song bei Spotify schon nach den ersten wenigen Sekunden geskipped und das sogar auf deiner Lieblingsplaylist. Dabei wurde die doch vom netten Algorithmus deines Vertrauens mühevoll speziell für dich zusammengestellt und dann ganz eindringlich und prominent auf der Startseite empfohlen.

Musik ist Leben, Irrtümer vorbehalten

Ergänzte man den Satz nur um ein einziges Wort und sagte „Ohne die richtige Musik wäre das Leben ein Irrtum“, müsste man das Leben der meisten konsequenterweise wohl fast aus Barmherzigkeit und purem Mitgefühl beenden, um sie aus ihrem ewigen Irrgarten der beliebigen Popsongs und fast dreist repetitiven Hit-Schleifen im Radio zu befreien. Als nicht ganz so endgültige Variante könnte man ihnen wahlweise natürlich auch empfehlen, mal wieder bewusst zu hören. Immer wieder im Geiste vorbeten – Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. Wertschätzen. Sich einfach Zeit zu nehmen für ein Album und einen Künstler. Couch, Anlage aufdrehen, Platte, oder meinetwegen auch CD, an und dann einfach mal zuhören. Der ein oder andere wird erstaunt sein, was sich hinter den ersten vermeintlichen lahmen oder auch nervigen Sekunden eines Albums noch alles tun kann. Früher, als Streaming noch utopische Zukunftsfantasie und Musik noch kein omnipräsentes Wegwerfprodukt war, nannte man das wohl „Spannungsbogen“. Der sollte Dinge interessant machen und ihnen einen gewissen Mehrwert geben. Songs, die nicht direkt mit dem Refrain begannen sollen im Radio gelaufen sein. Schöne Vorstellung eigentlich! Kenne ich leider aber auch nur aus Erzählungen.

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