Bin ich ein schlechter Fan, weil ich den wachsenden Erfolg meiner Lieblingskünstler kritisch beäuge? Oder bin ich im Umkehrschluss der bessere Fan, weil ich die Band länger unterstütze?
Ich liebe Musik, ich liebe Konzerte, ich liebe es für zwei Stunden in einer anderen Welt zu sein, den Künstlern auf der Bühne zuzuschauen wie sie meine Lieblingssongs spielen, während neben mir unzählige andere Fans stehen, denen es wahrscheinlich genauso geht. Besonders magisch ist dieses Gefühl wahrscheinlich bei den Lieblingskünstlern. Vergangenen Montag habe ich meine Lieblingsband zum 14. Mal live sehen dürfen und ich habe mich genauso glücklich gefühlt wie beim ersten Mal, aber irgendwas ist anders gewesen. Seit ich sie 2011 zum ersten Mal live gesehen habe, hat sich einiges getan. Neben neuer Musik, größeren Hallen und spektakuläreren Bühnen, ist es die wachsende Fangemeinschaft, die mir gegen den Strich geht.
Ich will diese Band nicht mit anderen teilen!
Schon immer war ich ein engagierter Fan – kaufte CDs, DVDs, T-Shirts, machte jedes Konzert mit, stand Stunden lang an, habe nach dem Konzert gewartet, auf ein kurzes Treffen gehofft, mit der Band gelacht und geweint. Ich gönne meiner Lieblingsband jeglichen Erfolg, fiebere bei Veröffentlichungen um die Chartplatzierung mit, freue mich über gewonnene Preise, aber warum fühlt es sich scheiße an, dass ich diese Gefühle jetzt mit viel mehreren teile? Es ist logisch, dass sich die Bekanntheit in einer Zeitspanne von sechs Jahren vergrößert, sonst würde ich mir Gedanken um die Berufswahl der Band machen. Wieso stört mich der wachsende Erfolg, wenn ich doch eigentlich nur das Beste für die Band will?
Bin ich jetzt ein schlechter Fan?
Nein, aber vielleicht ein egoistischer. Ich mag das Gefühl nicht, jemand anderes könnte mir Dinge wegnehmen, welche die letzten sechs Jahre mir gehört haben. Das Konzert war binnen weniger Stunden ausverkauft. Was ist, wenn ich das nächste Mal keine Karte bekomme? Mir die Ticketpreise zu teuer werden? Die Band in unerreichbare Ferne rückt, da sie schlichtweg zu bekannt wird?
Außerdem werden die Fans gefühlt immer jünger. Es ist uncool, wenn die Band auf der Bühne miteinander witzelt und man selbst nichts versteht, weil die 13-Jährige neben dir laut schreiend versucht die Aufmerksamkeit des Sängers zu bekommen. Es ist uncool, wenn du von deiner Lieblingsballade kein Wort verstehst, weil ein anderes Mädchen neben dir so laut heult, dass sie kurz vorm hyperventilieren ist. Und es ist übrigens auch uncool, dass dir jemand die komplette Zeit ein Handy ins Gesicht hält, um Freunde über Facetime am Konzert teilhaben zu lassen. Ganz zu schweigen davon, dass alle drei Minuten jemand ohnmächtig aus der Menge gezogen wird.
Nicht (nur) die Band ist gewachsen
Obwohl ich versuche die Anzeichen zu ignorieren, fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Ich bin scheinbar erwachsen geworden was Konzerte angeht. Stehe nicht mehr stundenlang an, schreie mich nicht mehr heiser, weil der Gitarrist in meine Richtung geschaut hat oder weine nicht mehr, nachdem ich die Band getroffen habe. Zurückblickend erkenne ich bei den beschriebenen Fans Verhaltensmuster, die ich ein paar Jahre zuvor auch noch besessen habe. Möglicherweise bin ich damals anderen Fans auf die Nerven gegangen. Wenn man so oft die selbe Band gesehen hat, achtet man vielleicht nur auf andere Fans, weil die anfängliche Euphorie verblasst ist. Der Blick ist nicht mehr konstant starr auf die Bühne gerichtet, weil man prinzipiell weiß was dort geschieht. Die Gefahr etwas zu verpassen, ist nicht mehr ganz so groß. Immerhin ist und bleibt der Mensch ein Gewöhnungstier. Nach wie vor ist es unglaublich toll, die Band live zu sehen, aber das anfängliche flaue Gefühl im Magen, die schwitzenden Hände, die Ekstase haben nachgelassen. Es ist eben so, als würde ich alte Bekannte treffen.
Wahrscheinlich ist die Fangemeinde nicht jünger geworden, sondern nur größer und ich älter. Ich begreife, dass die Band niemals mir gehört hat. Ich begreife, dass ich den gleichen Anspruch auf Konzerttickets habe, wie jeder andere Mensch auch. Sollte ich mal keine bekommen? Pech gehabt, so ist das Leben. Das wichtigste ist und bleibt, dass jeder im Raum aus den gleichen Gründen da ist und ich kein besserer Fan bin, nur weil ich das Privileg hatte, früher auf die Band aufmerksam geworden zu sein. Ein schlechter Fan wäre ich doch nur, wenn ich ihnen den wachsenden Erfolg nicht gönnen würde.