Sphärisch, melancholisch, herzzerreißend, emotional und gewaltig sind nur ein paar Wörter, die das Sigur Rós Konzert im ausverkauften Berliner Tempodrom beschreiben. Beinahe zwei Stunden zelebrieren die Isländer ihr musikalisches Können. Zwei Stunden, in denen kaum ein konzertfremder Gedanke mehr den Saal verlassen haben dürfte.
Am 09.10. und 10.10.2017 traten die Isländer Sigur Rós im Berliner Tempodrom auf. Gleich zwei mal. Beide Male komplett ausverkauft. Macht knapp 7000 Besucher, dessen Seelen sich die Band erspielt hat. Dabei brechen sie schon zu Beginn mit typischen Gepflogenheiten. Vorband? Fehlanzeige. Auch eine Zugabe wird es an diesem Abend nicht geben. Dafür allerdings eine Pause. Das Set von Sigur Rós wird nämlich in zwei Akten vorgeführt. Wobei man immer mehr von einem theatralischen Bühnenschauspiel als einem reinen Konzert ausgehen kann.
Sigur Rós bauen eine unantastbare Kunstwelt bei ihren Konzerten
Vier Jahre ist ihr letztes Album bereits her. Mittlerweile sind Sigur Rós auf ein Trio geschrumpft. Für 2018 soll es dennoch Neues geben. Die Reise durch die kreativen Welten der Isländer geht also weiter. An diesem Abend im Tempodrom bekommen die Zuschauer einen ersten Eindruck, wohin es dieses Mal gehen könnte. Denn worauf man sich verlassen kann, ist eine schier unantastbare Kunstwelt, die für jeden eine andere Realität darzustellen scheint. Dabei flattern auf der Leinwand im Hintergrund durchgängig die verschiedensten Bilder. Sie alle passen harmonisch in die beiden Sets. Fügen sich an Jón Þór „Jónsi“ Birgisson elfenhaften Gesang an und mischen sich mit den Klängen der Band. Die Musik wirkt nicht nur einmal so, als ob sie alles und jeden dem höheren Sinn wegen verschlingen kann.
Sie entlassen ihre Zuschauer, wenn sie es wollen.
Wie in einem Traum sind die Besucher des Konzerts gebannt. Die Augen nach vorne gerichtet. Unterhaltungen im Publikum vernimmt man selten. Vielleicht auch, weil man selbst längst in anderen Spähren unterwegs ist. Die größten Gefühlsausbrüche kommen von den paar Isländern im Publikum, wenn Frontman Jónsi einige Worte an die selbigen richtet. Das alles soll aber nicht den Eindruck einlullender Ruhe verbreiten. Sigur Rós sind Meister ihres Fachs, ganz einfach weil es keine Konkurrenz in ihrem Genre gibt. Niemand versteht sich so träumerisch darauf, das zerbrechliche Wesen, das Sigur Rós nun einmal ist, als Monster und Elfe darzustellen. Von ruhigen beinahe verschwommenen Klängen bis zu brachialer Gewalt, die Isländer beherrschen jeden Trick, um ihre Zuschauer in den Bann zu ziehen. Und wenn es um den letzten geschehen ist, verschwimmt der Sound zu einem leisen knacken und knarzen. Die Bilder im Hintergrund flackern vor sich hin. In großen Lettern erscheint „Takk“, isländisch für Danke.
Fotos: Andreas Budtke