Viel Lärm um nichts? Vonwegen, Frank Turner ist seit jeher mitreißend, laut und dabei dermaßen charmant, dass man ihm auch den einen oder anderen stimmlichen Makel mit einem Augenzwinkern verzeiht, er ist ja schließlich auch nicht Neil Young.
Schluss mit dem ganzen negativen Gehabe, den wir von „Tape Deck Heart“ kennen. Noch vor weniger als zwei Jahren besang er diverse Beziehungs-Ohrfeigen, verarbeitete Verluste und schlug sich auch sonst mit jeglichen Emotionalitäten des Alltags rum. Nie stellte er sich dabei ausschließlich als Opfer dar, denn wie jeder von uns hat auch Frank einen dunklen Begleiter, den es zu überwältigen gilt. Egal wie herzlich der Folk-Punk Wiederholungstäter Frank Turner seine Worte auch in die verrauchten Irish-Pubs schrie, es blieb immer ein fader Beigeschmack in seinen Songs zurück. Der Wille irgendwann einmal Besserung zu geloben und am Ende der Saiten seiner Akustik Gitarre ein wenig Hoffnung zu finden. Einfach diesen nach Guiness stinkenden dunklen Begleiter besiegen.
Los, schnell, ich muss die Scheiße aufschreiben
Bei unserem Interview, Mitte Juni im Berliner Michelberger Hotel, erzählte uns Frank, wie es zu dem klanglichen Umschwung kommen sollte. „Mitten in einer betrunkenen Unterhaltung mit einem guten Freund, meinte ich auf einmal, damit es weitergeht, bräuchte ich so etwas wie „Positive Songs for Negative People“. Ich schrie, los, schnell, ein Blatt Papier, ich muss die Scheiße aufschreiben.“ Und in der Tat, wir können froh sein, dass er sein Blatt Papier gefunden hat. Nach herzzerreißenden, fast schon weinerlichen zwei Minuten in „The Angel Islington“, bekommt man schon zu Beginn des neuen Albums immense Angst, dass er uns mit dem neuen Album gehörig auf die Schippe nehmen will. Glücklicherweise riecht es wenige Sekunden später schon ganz herrlich nach gutem Irischen Jameson Whisky und der einen oder anderen Zigarette. „Get Better“ brummt nur so vor sich hin, das typische breite Frank Turner Grinsen macht sich bemerkbar und die Akustikklampfe gibt herlich den tanzenden Beat vor. Schon früh im Album wird klar wir brauchen nicht mehr ganz so viel Angst um den Folk-Punk-Enthusiasten haben.
Nachdem das erste Feuerwerk abgebrannt wurde, folgt auch schon die erste offizielle Single „The Next Storm“. Ein Song der aus vollem Herzen hinaus aus den Mäulern der Festivals dieser Welt geschrien werden wird. Das sind die Hymnen die wir erwarten, die wir kennen und so lieben gelernt haben. Und trotz des ganzen Bierbecherwerfens, fehlt der Folk. Lediglich „The Opening Act Of Spring“ lädt zu einer kleinen Wiesenparty ein, mit allerlei bunten Girlanden, langen Bärten und jeder Menge Landluft in der Nase. Sogar Neil Young, David Crosby und der Rest von Crosby, Stills & Nash schaut auf einen Drink vorbei. Fröhlich wippend gehts dann auch schon in die zweite Albumhälfte und würde endgültig die große Frank Turner Party bedeuten, wenn da nicht „Mittens“ wäre. Die theatralische Piano-Nummer klingt plötzlich doch gar nicht mehr so Positiv. Turner verfällt wieder in alte Schemata, fasst schon lethargisch besingt er eine verflossene Liebe und gerade noch rechtzeitig erwacht er aus seiner romantischen Trance. „Demons“ ist ein wahrer Schenkelklopfersong und speziell mit „Josephine“ gelingt Frank Turner der heimliche Star der ganzen Platte – „ Verdammt viele Jahre habe ich auf den richtigen Song gewartet und „Josephine“ war es dann.“
Die großen turnerischen Momente
Seine Punk-Roots hat er längst verlassen (insbesondere solche mit ausgeprägten D.I.Y.-Gedanken) um Schritt für Schritt den Weg Richtung Stadion-Rock einzuschlagen, ob das gewollt oder eine logische Konsequenz aus acht Jahren Frank Turner und mehr als 1000 Konzerten ist, bleibt Jedem selbst überlassen. Fakt ist, „Positive Songs For Negative People“ wurde als komplettes Live Album aufgenommen und als solches gemischt. Das bringt den rauen Charakter rüber und treibt die Erwartungshaltung auf seinen Live-Konzerten ad absurdum. Gepaart mit seiner liebevollrauen Stimme und den herrlich einprägsamen Lyrics, gelingen Frank Turner abermals einige Rock Hymnen für die großen Hallen, die auch Bruce Springsteen gefallen dürften. Eben da liegt aber auch die Schwierigkeit. Springsteen hat so gar nichts mit Folk zu tun. Glücklicherweise muss man an dieser Stelle noch von keiner Identitätskrise sprechen, denn es gibt nach wie vor die großen turnerischen Momente, ohne verkrampft oder aufgesetzt zu klingen. Und irgendwie kommt es auch nur darauf an eine verdammt geile Zeit gemeinsam zu haben, egal ob im Club oder Stadion.