Erzwungene Kunst ist selten gut, weshalb Thees Uhlmanns drittes Album „Junkies und Scientologen“ erst 7 Jahre nach #2 erscheint. Denn in der Zwischenzeit gab es ein fast fertiges Album, dass von dem Musiker kurzerhand zurückgezogen und komplett neu überdacht wurde.
© Ingo Pertramer
Der großartige Opener des Albums “Fünf Jahre nicht gesungen” ist dabei erstmal völlig irrelevant für die deutsche Musiklandschaft, aber umso bedeutsamer für die treu wartende Hörer:innenschaft (zu der ich mich zähle) und macht deutlich, worauf wir alle gewartet haben: Textzeilen von brachialer Schönheit. Sowas wie: Ich bin so traurig wie die Söhne von Helmut Kohl – und alles ist gesagt.
Für diese Texte lieben wir Thees Uhlmann. Musikalisch bedarf es allerdings einiger Geduld, sich an Junkies und Scientologen zu gewöhnen: Hier knüpft es im besten Fall perfekt an die Eigenwilligkeit des letzten Albums #2 an und klingt im schlimmsten Fall eintönig. So mancher Song bindet das wunderbar in seine Thematik und die Lyrics ein. So kommt der obligatorische Stadt-Song des Albums “Was wird aus Hannover” unscheinbar daher, aber eben auch in liebevoller Anerkennung dieser unscheinbaren Stadt. Mit “Danke für die Angst” liefert Uhlmann übrigens einen Song in perfektem Toten Hosen-Sound, der an Opium fürs Volk-Zeiten erinnert. Das verdient Respekt. (Am 10. Oktober erscheint ein von Uhlmann verfasstes Buch über Die Toten Hosen. Das kommt also nicht von ungefähr.)
Held:innen der Kunst und des Alltags
Überhaupt begeht das Album popkulturelles Name-Dropping. Es ist wie das Kennenlernen eines neuen Menschen: Erstmal auschecken, was die andere Person so mag. Avicii? Katy Perry? The Scorpions? Und schon wird deutlich, dass Album Nummer 3 hier und da gerne stichelt und aneckt. Mainstream wird hier nicht aus Prinzip verschmäht, sondern zelebriert.
Nichtsdestotrotz (was für ein wunderschönes Wort) gibt es auch Songs, die nicht vom Ruhm, sondern vom Alltag erzählen. Die von den Figuren handeln, denen wir alle tagtäglich auf dem Weg zur Uni, im Supermarkt, auf dem Arbeitsamt begegnen. All diese Menschen, ob berühmt oder nicht, treffen sich im titelgebenden Herzstück des Albums: “Junkies und Scientologen”. Dieses kommt gefällig daher (sobald der Refrain beginnt erscheint ein imaginäres Publikum vor Augen, das die Arme im Takt selig von rechts nach links wirft). Der Song spielt aber eben genau mit dieser Gefälligkeit: Er ist nämlich für alle da – “Und nur damit ihr euch aufregt, auch für Bono und U2.”
Aus Versehen einem Fremden winken
Das kann Thees Uhlmann gut: Punk im Business sein. Gut finden, was alle doof finden und umgekehrt. So schafft es Uhlmann seine Musik einem breiten Publikum zu öffnen, ohne dabei in einer “Menschen Leben Tanzen Welt”-Belanglosigkeit zu verschwinden, sondern stattdessen klare Ansagen zu bringen. Im Lied “Ein Satellit sendet leise” heißt es: “Alles fühlt sich an wie aus Versehen einem Fremden zu winken” und so fühlt sich dieses Album an: Die Art der Texte sind wohlig vertraut, doch fremdelt Junkies und Scientologen mit dem Gewohnten. Es ist wie der Film zu einer geliebten Serie: Fans erfreuen sich an den Insidern und für Fans, die es noch werden wollen ist es ein leichter Einstieg.
Thees Uhlmann – Fünf Jahre nicht gesungen