Man kann es schon einen Glücksfall nennen, dass sich die Wege von Max Richard Leßmann und Sebastian Madsen gekreuzt haben. Die Leichtigkeit und Freude im Studio hört man in jedem Takt und so entsteht ohne jeden Zwang eines der schönsten Sommeralben des Jahres. Grund genug, sich an einen Tag im Juli mit Max zu treffen und darüber zu plaudern.
Es ist der Freitag vor der Veröffentlichung, der Sommer in Berlin bäumt sich gerade für ein paar Stunden auf und tut so, als wäre er immer da. Die Sonne strahlt, der blaue Himmel spiegelt sich glitzernd in der Spree. Die Leute legen ihre Jacken ab und setzen sich an’s Ufer. Max hat für das Treffen ein Eiscafé ausgesucht. Ich muss schmunzeln. In einer Eisdiele. Schließlich hab ich seine Musik hier kennen und lieben gelernt, wie ihr in der Review zum Album schon nachlesen konntet.
Von dem Ufer der Spree kann man zum Café laufen. Alles andere macht eh keinen Sinn, die Straßen sind überfüllt mit Leuten, die ins Wochenende starten. Ich komme an einem Blumenladen vorbei, vor dem Dutzende Lavendelblumenkästen aufgebaut sind. Was für ein seltsamer Zufall, denke ich. An der Ecke halte ich inne und drehe ich mich noch einmal nach dem duftenden lilafarbenen Lavendelfeld um.
Am Eiscafé stehen Schulkinder und drücken sich die Nasen an der Scheibe vor der Auswahl der Eissorten platt. Die Sommerferien sind ganz nah. Erdbeere und Schokolade sind hoch im Kurs, das grüne Kürbiskernöleis verstehen sie nicht. Max kommt und wir setzen uns in eine Ecke. Es ist ruhig drinnen, die Leute gehen schnell wieder in die Sonne nach draußen. Er trägt ein rosa Hemd, seine Augen sind wie das Meer vor dem Sturm, nur wenn er lacht werden sie heller. Er hat ein ansteckendes Lachen. Dann blinzelt der Schalk hervor und erstaunlich viel Erfahrung für einen Mitte Zwanzigjährigen. Die Bedienung bringt unsere bestellten Eisbecher und fragt, für wen der mit Eierlikör ist. Es ist nicht meiner. Max sagt, das sei sein Frühstück. Das ist vermutlich gelogen. Aber ich muss lachen und möchte eigentlich nur mit den Beinen schaukeln, mit ihm Eis essen und gar nicht so viel reden. Wir reden dann aber doch.
Alex: Dein Album erscheint jetzt bald. Bist du aufgeregt?
Max: Ich dachte erst, ich bin nicht aufgeregt. Aber als ich die fertige CD vom Label abgeholt und einlegt habe, war ich doch sehr gerührt. Es war wie ein Backflash in die schöne Zeit, die wir zu dritt im Studio- mit Sebastian und Johannes- verbracht haben.
Alex: Kanntest du Sebastian Madsen vorher schon?
Max: Ich hab Sebastian bei der Produktion unserer letzten Vierkanttretlager-Platte kennengerlernt. Ich hab mich immer ein bisschen unwohl gefühlt im Studio, denn ich war immer der letzte Mensch, der da hingekommen ist. Dann sitzen da schon alle und warten und gucken einen mit großen Augen an und dann soll man singen. Meine absolute Komfortzone ist ja der Schreibtisch. David Foster Wallace hat mal gesagt: “ Wenn ich alleine an meinen Schreibtisch bin, halte ich mich für sehr schlagfertig.“. So geht´s mir auch ein bisschen. (lacht) Meine Wohlfühlzone war das Studio für mich nie. Ich hab das meinem damaligen Produzenten, dem Olaf Opal gesagt und der hat mir vorgeschlagen zu Sebastian ins Wendland zu fahren, um eine etwas entspanntere Atmosphäre aufzunehmen. Da haben wir dann auch sofort angefangen Lieder zu schreiben.
„Wir hatten keinen großen Masterplan. Auf einmal hatten wir 10…15 Lieder geschrieben.“
Alex: Hast du die Lieder komplett geschrieben?
Max: Ich hab die Texte geschrieben. Ich bin vor allem Autor, ich hab schon immer geschrieben und das mit der Musik ist eher zufällig in mein Leben getreten. Damals war ich 15, das ist ja nun schon etwas her und ich kann mich jetzt nicht mehr ganz davor verstecken, auch Musiker zu sein. Wenn mich aber jemand fragt, der mich nicht kennt, sag ich immer: ich bin Autor. Bei dem Album war es so, dass ich Sebastian meine Texte vorgelegt habe und er hat eine Melodie dazu entwickelt.
Alex: Was, wie man hören kann, sehr gut funktioniert hat.
Max: Es war anscheinend so, dass Sebastian und ich ein ganz tiefes inneres Anliegen hatten, sowas zu machen. Als wir uns dann -geradezu schicksalshaft- getroffen haben, hat sich das ganz schnell entladen. Wir haben uns gar nicht so viele Gedanken gemacht, das hat sich verselbständigt. Wir hatten keinen großen Masterplan. Auf einmal hatten wir 10…15 Lieder geschrieben-fast aus dem Nichts heraus.
Alex: Das heißt, es sind gar nicht alle Lieder auf der CD gelandet?
Max: Ich glaub, wir haben 15 Lieder geschrieben und das klingt wahrscheinlich jetzt etwas pedantisch, aber ich mag das nicht, wenn so viele Lieder auf CDs drauf sind. 15 sieht nicht schön aus. Ich hätte am liebsten nur 10 drauf gehabt, aber dann konnte ich mich nicht entscheiden, welche ich weglasse, weil ich die alle so schön fand. Von dreien hab ich mich mit sehr viel Schmerz getrennt und jetzt sind es eben 12 geworden.
Alex: Die Restlichen kannst du ja auf die nächste CD packen.
Max: Genau. Das nächste Album ist auch schon sehr weit fortgeschritten, wir haben schon wieder neue Lieder geschrieben.
Alex: Stimmt die Geschichte bei „Ich wünschte“, dass der Text am Ende eines Liebesbriefes stand?
Max: Ja, das stimmt so. Das ist aber nun schon ein paar Jahre her, 2012, als ich den Text geschrieben habe. Ich merke meistens, ob das ein Text ist, nur ein Gedicht oder ob Töne dazu gehören. Ich wusste schon, was das in etwa für eine Musik sein müsste, aber die hatte keinen Platz zu dieser Zeit in dem damaligen Bandcontest.
„Mir gefällt die Spannung zwischen der fröhlichen Musik und dem Text, der diese Doppelbödigkeit in sich trägt.“
Alex: Was ich schön, oder sagen wir auch sehr entspannend finde ist, dass die Platte eine gewisse Leichtigkeit und eine so eine positive Stimmung hat. Wenn die Welt um uns herum zu zerbrechen scheint, ist es gut, mal etwas Beschwingtes zu hören und an die schönen Dinge erinnert zu werden. Die es ja nach wie vor gibt.
Max: Aber es ist jetzt keine Heile-Welt-Platte. Es ist schon auch melancholisch. Ein Lied wie „Ich wünschte“ zum Beispiel hab ich zu einem Zeitpunkt geschrieben, als ich sehr verliebt war. Diese Frau hat mir sehr viel bedeutet, wie man ja unschwer herauslesen kann. Wenn man achtsam zuhört und zwischen den Zeilen liest, ist es eigentlich ein sehr trauriger Text. Es geht darum, dass man sich von der Welt verschließt, dass man nicht rausgehen will, fast soziophobe Anwandlungen hat und nur noch mit diesem einen Menschen zusammen sein will. Mir gefällt die Spannung zwischen der fröhlichen Musik und dem Text, der diese Doppelbödigkeit in sich trägt. Da gibt´s auch noch andere Lieder, wie zum Beispiel „Mann im Stream“, der auch eine sehr heitere Melodie hat, das aber eigentlich auch ein trauriges Trennungslied ist. Ich wollte ehrlich da sein. Was heißt “ich wollte“, ich hab ja gar nicht die Wahl, wenn ich schreibe. Also: ich war sehr ehrlich.
Max Richard Leßmann – Ich wünschte
Alex: Mein Lieblingslied ist „Lavendelfeld“, das weißt du ja schon. Das ist so großartig. Der Text zeichnet eine ziemlich anschauliche Szenerie. Wie kam es zu diesem Bild?
Max: Ich war auf Tour mit Vierkanttretlager und konnte nicht schlafen. Ich hatte mal ein Plakat mit einem unendlich weiten Lavendelfeld gesehen, was ich sehr schön fand, und als ich da im Hotelzimmer lag, ging mir das nicht aus dem Kopf. So ist das Lied mit dem Lavendelfeld entstanden.
Alex: „Keine Langeweile“ mag ich auch sehr.
Max: Das ist mein Lieblingsstück!
„Das Gefühl von Langeweile kenn ich gar nicht. Ich schöpfe aus diesen luftleeren Momenten.“
Alex: Es erinnert mich ein bisschen an „Ans Ende denk ich immer nur an dich“ von Element of Crime, das ihr mit Vierkanttretlanger mal gecovert habt. Die Zeit spielt keine Rolle, weil die Gedanken immer um den einen Menschen kreisen. Das ist thematisch sehr ähnlich.
Max: Echt? Darüber hab ich noch gar nicht so nachgedacht.
Alex: War es anders gemeint?
Max: Das Lied hab ich tatsächlich in einer Situation geschrieben, die irgendwie schon sehr langweilig war. Für mich selbst allerdings überhaupt nicht. Wir waren auf dem Land, mitten im Nichts. Aber es hat mir total gereicht mit diesen anderem Menschen zusammen zu sein. Man kann den Song aber auch anders verstehen. Natürlich lässt er sich leicht auf eine Liebesbeziehung beziehen, aber eigentlich ist es auch ein Lied, das ein Vater seinem Kind singen könnte. Da ist jetzt jemand in deinem Leben, der dich so beschäftigt, im Guten, wie im Schlechten (lacht)– man macht sich ja vielleicht auch Sorgen – dass dann keine Langweile mehr aufkommt. Genauso gut könnte das ein Lied sein für jede Form von Leidenschaft. Ich kenne das Gefühl von Langeweile eigentlich gar nicht.
Alex: Du schreibst dann.
Max: Genau. Ich schöpfe aus diesen luftleeren Momenten. Sie stellen keine Bedrohung für mich dar.
Max Richard Leßmann – Keine Langeweile
Alex: Es gibt ein Lied auf der Platte, da steht in Klammern „für Wanda“.
Max: Ja, ich hatte ein bisschen Sorge, dass es da zu Missverständnissen führen könnte. Es geht nicht um die Band.
„Das hat nichts mit der Band Wanda zu tun. Gar nichts. Nicht mal ein bisschen.“
Alex: Ok.
Max: Dachtest du, es geht um die Band?
Alex: Ja. Das war tatsächlich mein erster Gedanke. Ich hab versucht irgendwelche Zusammenhänge zu finden. Hat natürlich nicht funktioniert. Aber manchmal weiß man ja nicht, was da für geheime Botschaften dahinter stecken könnten. Deswegen frage ich lieber noch mal.
Max: Das hat nichts mit der Band zu tun. Gar nichts. Nicht mal ein bisschen was. (lacht). Ich kenne die gar nicht persönlich und habe keinen Grund ihnen irgendwas zu widmen. Noch nicht! Aber wer weiß, vielleicht schreib ich mal was und schreib dann dahinter: für Wanda…in Klammern: Band!
Alex: Wanda ist also…?
Max: Ich hab das mal für eine Frau geschrieben. Die Wanda heißt. Und die mich sehr beschäftigt hat.
Alex: Eine Zeile, die mich bei einem anderen Lied („Sie trinkt“) besonders berührt, lautet: “Man fragt sich, warum niemand versteht, dass Liebe an Zweifel zerbricht.“ Das ist so wahr!
Max: Ja.
Alex: Der Text findet, so sehe ich das jedenfalls, in „Lippenstift“ in gewisser Weise seine Fortsetzung, denn auch da scheitert die Beziehung ja (fast) am unbegründeten Zweifel.
Max: Ja, auf jeden Fall! Das ist schön, dass du das so sagst. Der Zweifel entsteht ja oft durch die Vielzahl der Möglichkeiten. Ich meine…(er überlegt)…ich finde es krass, wieviel man heutzutage kommuniziert. Viel mehr, als man überhaupt zu sagen hat. Ich kenne das noch aus der Schule. Da haben Leute 20 Seiten geschrieben in den 6 Stunden, die man da hatte. Ich habe nie viel geschrieben, da stand dann aber auch alles drin. Ich fand das immer so abgefahren und hab mich echt gewundert, wie man das schafft, so um den heißen Brei herum zu reden. Der Zweifel entsteht manchmal durch Überkommunikation und durch dass es so viele Möglichkeiten gibt. Wenn man 300 Facebook-Freunde hat, denkt man: da sind ja vielleicht noch 10 Frauen dabei, die mich auch toll finden. Aber darum geht es ja nicht. Es geht ja um eine tiefe emotionale Bindung und dass man als Mensch auch Wechseln unterworfen ist, dass man mit Problemen umgehen lernt und sich zusammen weiterentwickelt. Ich bin der festen Überzeugung, dass wenn das ein Lebensmodell ist, das man gerne möchte, wenn man sich das wirklich so aussucht, dann kann jeder Mensch mit jedem Menschen zusammenbleiben, wenn beide sich das so überlegt und ausgesucht haben. Die Erfahrung, die ich mit Trennungen gemacht habe, ist dass die Trennung eine Zäsur war, die auch wichtig war und wobei ich viel gelernt habe. Aber an dem Zeitpunkt, wo die Sachen klar waren, hätte man eigentlich auch weitermachen können. Es geht darum, sich wirklich miteinander auseinanderzusetzen und Sachen nicht so aufstauen zu lassen, dass es sich dann mit einem Mal entlädt. Dann hat Liebe auch gegen alle Zweifel eine Chance.
Alex: Das hast du schön gesagt.
Max: Danke. Das war jetzt aber auch eine sehr lange Antwort. (lacht)
Alex: Würdest du dir etwas wünschen für das Album oder für die Zukunft?
Max: Ich freue mich immer, wenn die Leute etwas spüren bei den Sachen, die im Umlauf sind-egal ob das meine oder andere Sachen sind. Ich glaube, das ist das Wichtigste und Schönste, was Kunst auslösen kann. Ich bin ja nicht so festgenagelt auf die Musik, jetzt gerade ist es so und ich werde das wohl auch weiterhin noch machen. Aber langfristig weiß ich, dass Stift und Papier mich in meinem Leben länger begleiten werden.
„Liebe in Zeiten der Follower“ ist am 21.07.2017 bei Caroline Records erschienen.
Max Richard Leßmann ist auf Tour:
Sa, 25.11.17: KÖLN, Studio 672
Mo, 27.11.17: MÜNCHEN, Milla Live-Club
Di, 28.11.17: BERLIN, Musik & Frieden
Do, 30.11.17: HAMBURG, Nochtspeicher