„Jetzt habe ich eine neue Band, sie heisst HOTEL SCHNEIDER, wir machen Angry Soul.“ Wenn man Dennis Scheider, den ehemaligen Sänger von Muff Potter, über seine neue Band Hotel Schneider befragt, beginnen seine Augen zu funkeln. Leidenschaft versprüht dieses neue Projekt. Es ist Sprachrohr für vier Menschen, die etwas zu erzählen haben. Wütend und trotzdem rhythmisch geht es dabei zu. Wir haben den Leadsänger und Gitarristen Dennis Scheider in seinem Neuköllner Studio getroffen.
Ich stehe auf einem Hinterhof in Neukölln, der Fahrstuhl der mich in den dritten Stock bringen soll, kann nur mit Schlüssel geöffnet werden. Dennis wartet bereits oben im Studio auf mich und schickt mir den Fahrstuhl nach unten. „Ich habe hier mal zwei meiner Lieblingsbiere mitgebracht“ sage ich zu ihm. Das holländische „Grolsch“ und bayrische „Tegernseer Hell“. Dennis führt mich durch das Studio und stellt mir kurz ein Paar Jungs von Seeed vor, ehe wir uns gemütlich bei Bierchen und Zigarette aufs Sofa hauen.
herzmukke: Wie bist du zur Musik gekommen, was war so das Eine einschneidende Erlebnis?
Dennis Scheider (Hotel Schneider): Im Grunde mache ich seit ich denken kann Musik. Mit Acht hatte ich schon Musikunterricht, mein Vater spielte in einer Band. Es gibt sogar ein Bild von mir als Baby, wie ich eine Stratocaster in der Hand halte. Für mich war Musik schon immer ein Weg mich aus bestimmten Dingen bzw. Situationen, Zeiten oder Stimmungen herausmanövrieren zu können. Angefangen hat das mit einem AC/DC Song-Buch und einer The Beatles Diskografie. Die habe ich damals von meiner Oma bekommen. Das Buch habe ich mir selbst gekauft. Mein Vater hat mir dann irgendwann so einen Strato-Nachbau geschenkt und dann gings los. Irgendwann habe ich eine Gitarrenspur nach der anderen mit meinem Vierspurrekorder von Tascam aufgenommen. Den habe ich sogar heute noch unter meinem Bett stehen.
Muff Potter hat sich 2009 aufgelöst, nach 16 Jahren, weil die Luft raus war. Stehst du noch in Kontakt mit den anderen Mitgliedern? Was machen die Anderen so? Thorsten Brameier bspw. saß ja letztes Jahr vor Günther Jauch auf dem Wer-Wird-Millionär Stuhl?
Dennis: Ja das weiß ich noch. Wusste ich natürlich schon vorher. Nagel (Thorsten Nagelschmidt) hatte mir geschrieben. Die waren zusammen da. Und dann habe ich Brami geschrieben, gratuliert und gefragt obs jetzt endlich neue Dielen für sein Haus gibt. Da hat er mir nur drauf geantwortet, „Ne ne, ich kaufe mir jetzt nen Benz.“ Damals dachte ich noch, dass er nur einen Scherz machen würde. Tja, nun hat er einen Benz. (lacht)
Bei der Bild Zeitung haben sie gesagt, er hätte sich ein Haus gekauft.
Dennis: Ne ne, er und seine Freundin haben sich ein unter Denkmalschutz stehendes Haus gekauft und das wieder neu aufgebaut bzw restauriert. In der Show hat er natürlich gesagt er kauft sich Dielen, hehe.
Na ja und die Anderen, was machen die so. Nagel schreibt gerade sein neues Buch und Schredder (Dominic Laurenz), unser Bassist bei Muff Potter, spielt mit Nagel in einer anderen Band. Aber gerade sind sie nicht aktiv, er schreibt ja sein Buch.
Ich mach halt einfach Musik, weils mir dann besser geht!
Was is eigentlich in der Zeit zwischen den beiden Bands passiert? Ich meine, hier sprechen wir von gut 6 Jahren bis heute. Ne Menge Luft um sich auszuprobieren, aber auch zu verändern.
Dennis: Ich hab halt einfach sehr viel Musik produziert und geschrieben. Dazu kommt noch, dass ich auch mein eigenes Label habe und viel Material veröffentlichte. „Beat!Beat!Beat!“ bspw. Aber die haben sich ja leider aufgelöst. Ja, sehr sehr schade! Aber daraus haben sich ja auch zwei sehr geile Projekte entwickelt mit „Oracles“ und „Roosevelt“.Für „Ghost Of Tom Joad“ habe ich alle drei Alben produziert und veröffentlicht. Zuletzt waren da dann noch „Aufbau West“ und für Luna Simao habe ich das Songwriting und Produzieren übernommen. Das war ein extrem langes Projekt über drei Jahre, bis sie am Ende ihren Major-Deal bei Warner unterschrieben hat.
Aber in der ersten Zeit nach Muff Potter dachte ich einfach nur – ich habe keinen Bock mehr auf Musik! Irgendwann habe ich dann aber feststellen müssen, dass das alles im Grunde nur Verdrängung war. Eigentlich habe ich doch immer nur eigene Musik machen, schreiben und präsentieren wollen. Ohne viel Tam Tam oder Kompromisse. Vor Hotel Schneider gabs bspw. auch schon ein anderes Projekt, aber davon war ich einfach nicht überzeugt. Deswegen habe ich’s am Ende in die Tonne gehauen. Mit Hotel Schneider ist das jetzt glücklicherweise ganz anders.
Muff Potter war ziemlich punkig. Bei Hotel Schneider wirds jetzt etwas poppiger & funky – Angry Soul wie du selbst sagst. Was erwartet uns auf dem Debüt?
Dennis: Rein musikalisch hat mich verzerrter Gitarrenrock einfach nicht mehr angesprochen. Dann trat plötzlich die Soul-Musik in mein Leben. Das war alles so frisch, so modern. Aber der Motor hinter unserer Musik ist ziemlich klar. Sich selbst immer und immer wieder aus dem Morast ziehen, in all seine Facetten. Ich finde es enorm spannend die Geschichten von Menschen zu hören, wenn sie wütend sind. Das ist genau die Energie die wir in unseren Songs verpacken wollen und letztlich betrifft es uns ja auch selbst. – Moderne eindrucksvolle Klänge mit wütenden Facetten und Geschichten. Angry Soul eben. Am Ende des Tages hoffen wir aber auch, dass das Album hängen bleibt und nicht nur so vor sich hinplätschert.
Ja absolut. Transformer war so der erste Song den ich gehört habe. Diese ganzen Impulse, diese Wut die da rüberkam ist einfach echt hängen geblieben. Dann ist der Song hinten runter gefallen und einige Tage später musste ich wieder daran denken. Verdammt war ich froh, dass mein Browser einen Suchverlauf hatte.
Auf dem Album wird sicherlich auch eure aktuelle Single „War das schon alles?“ sein. Das ist ja ne Frage, die sich sicherlich jeder in den unterschiedlichsten Situationen schon einmal gestellt hat. Bist du ein Ehrgeiziger Mensch, ein Typ der nie so ganz mit dem was er hat zufrieden ist und immer noch einen Schritt weiter gehen will?
Dennis: Das ist halt so eine Frage, die man sich ziemlich oft stellt oder? Die Idee das man vor dem Sensenmann steht und sich fragt, „War das schon alles?“, fand ich, war irgendwie ein starkes Bild. Klar und auch irgendwie ein Schrei nach mehr. Der Typ in der ersten Strophe bekommt was aufs Maul und fragt halt „war das schon alles oder bekomme ich gleich noch eine“? Daran merkt man auch, dass sich die Frage oft schon bei Kleinigkeiten stellt. Wir versuchen das aber auch immer ein bisschen lustig zu verpacken. Halt mit einem Augenzwinkern. Aber auf der anderen Seite hat die Frage natürlich auch einen philosophischen Background. Nach den Jahren mit Muff Potter befand ich mich dort irgendwie auch. Damals habe ich mich für mein restliches Leben schon am Schreibtisch sitzen sehen. Die Musik von anderen verwaltend. Damals habe ich mich auch gefragt, „War das schon alles?“
Groß denken, irgendwann mal Mercedes Benz Arena!
Denken Sie Groß ist hier vielleicht auch ein gutes Stichwort. Wenn man sich schon fragt ob das alles war, überlegt man ja auch wie es weitergeht. Wo soll es mit Hotel Schneider hingehen? Welche Ziele habt ihr euch gesetzt, welche Wünsche habt ihr?
Dennis:Ich war vor ein paar Jahren mit Marcus Wiebusch auf einer Party, zufällig genau gegenüber der O2 Arena. Er fragte mich ob ich nicht mal wieder eine neue Band gründen möchte. Darüber habe ich kurz nachgedacht und gesagt, „Wenn ich an eine neue Band denke, dann kommen mir Jugendzentren und auf dem Boden pennen in den Sinn.“ Da hat mir Marcus gesagt, dass das totaler Quatsch wäre. „Du musst dabei einfach an die o2 World denken.“ Ein Jahr später musste ich wieder an diesen Satz denken. Es ist sehr viel möglich. Man ist seinen eigenen Projekten ja auch schuldig dass man an sie glaubt – ich bin mir sicher dass man dann auch etwas erreichen wird.
Also ab in die o2 Arena?
Dennis: Ne lieber nicht. Aber die Mercedes Benz Arena wäre was. Nein im ernst, ich will einfach coole Mukke machen wo die Leute drauf abgehen und wertschätzen wie viel Leidenschaft darin steckt. Aber noch viel wichtiger, wir selbst müssen einfach dahinter stehen und sagen das ist für uns cool! Ich mach halt einfach Musik, weils mir dann besser geht!
Noch einmal zu euren Songs zurück! Gehts denn überhaupt immer um irgendwas Spezielles in euren Texten?
Dennis: Na ja das ist halt nicht zwangsläufig alles autobiografisch, aber schon gefärbt vom eigenen Kosmos. Ich denke es ist schon verdammt schwer die eigenen Erlebnisse aus dem Songwriting zu streichen. Aber der Prozess ist schon spannend. Vorm Release von „War das schon alles?“ war ich echt nervös. Ich meine man entblößt sich dort halt schon in gewisser Weise. Mein Band meinte dann nur „Wieso? Ist doch genauso wie die anderen Nummern.“ Aber irgendwie fühlte sich das schon so an, als ob man da auch was Privates erzählen würde.
Gerade geht ja in der deutschen Musikszene einiges – TÜSN, Von Wegen Lisbeth, Cosby, RAZZ, allen voran AnnenMayKantereit – usw usw. hast du Spaß daran was da abgeht oder schwimmt da vielleicht auch Skepsis mit?
Dennis: Ich muss leider gestehen, mal abgesehen von AnnenMayKantereit, sagen die mir jetzt nicht so viel. Ehrlich gesagt nehme ich gar nicht wahr dass momentan mehr gute Bands unterwegs sind als noch vor Jahren. Es gab schon immer enorm viele Bands. Vor allem viele schlechte Bands. Das war schon immer so ein Problem in Deutschland, dass es nicht ganz so viele wirklich gute Bands gibt bzw. gab. oder gefördert wurden. Das liegt sicher auch an der Radiolandschaft die immer wieder auf altbewährtes setzt. Aber natürlich stechen da immer ein paar Sachen heraus, die die Leute gut finden. Vermutlich war das Potenzial schon immer groß, nur das auch schon immer viel unter ging. Aber wenn etwas wirklich gut ist, dann wird es sich sicher durchsetzten. Ich denke die Leute sehnen sich momentan tatsächlich nach irgendeiner intimen Sache in die man eintauchen kann. Ob die Sachen aber wirklich „deep“ sind oder etwas zu sagen haben darüber kann man natürlich vortrefflich streiten.
Abschlussfrage: Dein All-Time-Favourit Song & Künstler. Nach einigen Interviews hat sich diese kleine Frage, so dachten wir zumindest, als eine echt knifflige herausgestellt.
Dennis: Ja, die ist wirklich nicht einfach, da hast du recht. (denkt länger nach) Ich war mal ein unglaublich großer Afghan Whigs Fan, bzw. bin es immer noch. Ich habe extrem stark das The Clash Cover von „Lost In The Supermarket“ abgefeiert. Auf jeden Fall ein Song der immer wieder geht. Also Afghan Whigs mit „Lost In The Supermarket“ ist meine Wahl.