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Frank Turner – Dudelsäcke, Live Aufnahmen & Lieblingsbands

Ein Beitrag von Philipp
vom

Mitte Juni war Frank Turner im Berliner Michelberger Hotel an der Warschauer Straße für einige Promotage, um sein kommendes Album „Positiv Songs for Negative People“ vorzustellen. Wir haben den Folk Punker getroffen und ihn ein wenig zu seiner neuen Platte ausgefragt.

Frank Turner Presseimage 01 by James Medina
© James Medina

Irgendwie ist das so was wie zufällig entstandene Folk Punk Musik

Frank Turner ist authentisch und charismatisch zugleich. Gut möglich, dass sich der Folk Punker auch deswegen in den letzten Jahren zunehmender Popularität erfreuen durfte. Mit „Positive Songs for Negative People“ bringt er am 07.08.2015 seine bereits sechste Platte auf den Markt. Anders noch als beim Vorgänger „Tape Deck Heart“ geht es dieses Mal um kämpfen, besiegt werden, aufstehen und stärker zurückkommen. Gut gelaunt, trotz eines guten Dutzend Interviews innerhalb eines Tages, trafen wir Frank Turner am 16.06.2015 zu einem sagen wir mal sehr ausführlichen Interview, aber lest selbst:

herzmukke: Cheers!

Frank Turner: Ja Prost, ich habe heute ein neues Wort gelernt, „Zum Wohl“, tirolerisch oder?

herzmukke: Nein nicht nur, auch bayrisch beispielsweise.

Frank Turner: Wir waren in Südtirol. Dort haben das alle gesagt, ich denke, weil dort alle ein wenig altmodisch sind.

Ja, das ist in Süddeutschland aber generell auch so.

Lederhosen oder? (lacht) Vor einigen Jahren waren wir auf einem Festival in Österreich und abends noch in der Stadt. Ich schwöre, jede einzelne verdammte Person trug Dirndl oder Lederhosen. Wir sahen uns an und meinten „Ernsthaft? Das kann doch nicht normal sein!“. Wir sind dann auf irgendein traditionelles Festival oder so geraten. Alle trugen diese Klamotten und wir dann nur so „Fuck, wir brauchen Lederhosen für die Show“. (lacht) Aber mir war nicht klar, wie teuer Lederhosen sind. Ich dachte wir würden ein paar Hundert Euro ausgeben für einen kleinen Scherz aber das wäre ein 2000-Euro-Scherz gewesen.

Ja, du kannst unglaublich viel Geld für Lederhosen ausgeben. Sind ja auch meistens Handarbeit, aber lass uns doch jetzt mal mit dem Interview starten, ok?

Er hat mich mit dem verschissenen Mikrofon getroffen

Wir haben dich 2013 im Berliner Huxleys gesehen. Am Ende hast du deinen Gitarristen mit dem Mikrofon ausgenockt. Lebt er noch?

Oh Gott ja, er lebt noch und ich denke, er ist auch noch ziemlich angepisst. Ich fühle mich so schlecht deswegen. Ich liebe Ben, aber er ist so nachtragend, dass er dafür eigentlich eine Olympische Medaille verdient hätte. Eines Tages in zehn Jahren, da bin ich sicher, darf ich mir wieder anhören „Er hat mich mit dem verschissen Mikrofon getroffen“. Ich fühle mich so schlecht deswegen, dass ich seitdem nie wieder den „Roger Daultrey“ (The Who) gemacht habe.

Das sah schon ziemlich cool aus, aber als es passierte ging ein Raunen durch die Menge – „oh scheiße, was ist da passiert“ – von hinten hat man das gar nicht so mitbekommen. Aber er hat die Show zu Ende gespielt, inkl. Zugaben – Punk Rock Icon!

Ja das hat er, obwohl Blut aus seinem Kopf lief.

So ein bisschen wie Dave Grohl, hast du davon gehört?

Ja das habe ich. Am Sonntag spielten wir auf dem Pink-Pop Festival und die Foo Fighters waren für den Headline-Slot gebucht. Dann mussten sie die Show absagen, weil er sich das Bein gebrochen hatte. Zehn Minuten bevor wir auf die Bühne gingen, haben wir uns überlegt ein „Everlong-Cover“ zu spielen. Das war echt lustig.

Hat es der Menge gefallen?

Es hat ihnen gefallen , was irgendwie verrückt war. Uns war vorher klar, entweder würden sie es lieben oder sie würden es verdammt noch mal hassen. Von wegen, „schönen Dank, dass du uns jetzt noch einmal daran erinnerst, dass wir die Foo Fighters nicht sehen werden“. Aber die meisten fanden es cool.

Frank Turner Pressefoto by Tara Novak
© Tara Novak

Deine Wurzeln liegen im Punk-Rock. Irgendwann hast du die dann mit Folk kombiniert. Wie stellst du es an dieses Punk-Folk-Monster zu kontrollieren?

(lacht) Weißt du, es gab Zeiten, da wollte ich mich selbst ein wenig fertig machen. Und da dachte ich mir, wieso nicht gleich die beiden gegensätzlichsten Genre wählen, die es gibt – Scheiß Idiot (lacht). Nein, es ist nicht so, dass ich mir das ausgesucht hätte. Als ich meine alte Band „Million Dead“ verließ, wollte ich Musik machen, die wie Neil Young klang. Ich habe auch nicht versucht Folk Punk zu spielen. Ich wollte nur Songs spielen wie Neil Young, weil ich in der Punk Band längst gelernt hatte, wie man eine Gitarre spielt und singt. Nur, wenn ich diese Songs spielte, klang es leider nur in meinem Kopf nach Neil Young. In Wirklichkeit war es dann doch mehr schreien – irgendwie also so etwas wie zufällig entstandene Folk Punk Musik.

Tape Deck Heart war ein verdammt depremierendes Album

Dein kommendes Album hört auf den Namen „Positive Songs for Negative People“ – Was möchtest du deinen Fans damit sagen?

Nun, ich versuche schon mit meiner Musik eine Message zu vermitteln, aber es handelt sich dabei um kein Manifest und ich versuche auch nicht jeden davon zu überzeugen. Ich hatte eine Unterhaltung mit einem Freund spät abends und wir waren ziemlich betrunken. Das war übrigens bevor wir mit den Aufnahmen begonnen haben. Wir sprachen über alles, was ich in den letzten zehn Jahren gemacht hatte und ich versuchte zu erklären, wie es weitergehen sollte. Mitten in diesem whawhawha sagte ich „weißt du, es ist irgendwie sowas wie Positive Songs for Negative People“. Ich schrie „Ich brauche ein Blatt Papier, schnell, ich muss die Scheiße aufschreiben.“ Sämtliche Gedanken und Intensität sind als Reaktion auf das vorherige Album zu verstehen. Auf „Tape Deck Heart“ geht es um den ganzen Mist, der dich im Leben trifft und das Aufgeben. Es war ein verdammt deprimierendes Album. Was ich jetzt brauchte, war irgendwas befreiendes, ein Album über das Stürzen und wieder Aufstehen.

Wir hatten das Vergnügen schon in dein kommendes Album reinhören zu dürfen. Irgendwie ist es rauer und intensiver als der Vorgänger. Worin lag der Unterschied bei den Aufnahmen?

Das war eine ziemlich große Sache, weil ich wollte, dass es sich wie ein Live-Album anhört aber im Grunde keines ist. Ich denke, ich und The Sleeping Souls sind eine gute Live Band. Und ich wollte das Gefühl einer Live Show auf einem Album haben, auch, weil ich das vorher noch nie gemacht hatte.

Das heißt, die Songs wurden je mit nur einem Take aufgenommen?

Grundsätzlich haben wir erstmal alles Live aufgenommen. Das heißt, alle Instrumente wurden gleichzeitig im selben Raum gespielt. Im Normalfall haben wir einen Song pro Tag aufgenommen. Meistens haben wir dabei vier Takes aufgenommen und uns für den Dritten entschieden. Am selben Tag wurden dann auch die Vocals eingesungen. Ich bin wirklich Stolz über die Tatsache, dass alle Vocals innerhalb einer Aufnahme entstanden sind, also von Anfang bis Ende mit einer Ausnahme, bei der wir den Vers rausnehmen mussten. Auf vielen Alben werden einzelne Wörter reingeschnitten oder auch mit viel Software-Müll gearbeitet. So einen Scheiß, haben wir nicht benutzt. Das ganze Album ist „Baaaam, das bin ich und singe diesen Song“, ich bin da verdammt stolz drauf. Auch die Arrangements sind wesentlich simpler, die Songs sind kürzer und die Struktur einfacher. Jeder Song ist einfach Bam Bam Bam in die Fresse.

„The Next Storm“, deine zweite Single, ist unser Lieblingssong vom kommenden Album. Ein Song übers Kämpfen und wieder Aufstehen. Welches ist deiner?

Oh nein, was für eine schwere Frage. Ich denke mein Lieblingstelle auf dem Album ist aus dem Song „Josephine“. Es ist unglaublich schwer zu erklären, worum es in diesem Song geht. Im Grunde ist das aber ein gutes Zeichen, denn wenn du ein Gedicht erklären kannst, brauchst du es nicht mehr schreiben. Ich denke „Josephine“ ist ein Song über einen perfekten Menschen, den du bisher noch nicht gefunden hast. Ein Song der mir….eine Menge „Gefühle“ gibt, wenn ihr versteht (lacht). Manchmal schreibe ich meine Lyrics, indem ich nur ein Paar Reime in mein Smartphone tippe. Verdammt viele Jahre habe ich auf den richtigen Song gewartet und „Josephine“ war es dann. Die Zeile lautet „Let’s pretend it’s Halloween, You come as a car crash and I’ll go as James Dean“.

Wo ist mein Tour-Manager?

Wir haben mal kurz auf deine kommenden Gigs geschaut und konnten nichts mehr für Deutschland entdecken. Wann kommst du nach Deutschland, um deine neue Platte zu präsentieren?

Ich war mit der letzten Platte gut zwei Jahre auf Tour. Letztes Jahr waren wir dann knapp vier Monate im Studio, um die Platte aufzunehmen. Da wurde mir klar, dass ich seit ich 19 war nicht mehr so lange an einem Ort war. Ich wüsste gar nicht wie ich ohne touren hätte aufwachsen sollen und wenn ich jetzt vor meiner Familie stehe, dann geht es meistens nur so „Ääähhhm, wo ist mein Tour-Manager?“ Ja, ich mag touren. Momentan machen wir erstmal noch einige Promoshows und die üblichen Termine, aber die richtige Tournee kommt dann Anfang nächstes Jahr. (Und kommst du auch nach Berlin? Herzmukke fragt) Nein, ich mache eine Tour in Deutschland und komme nicht nach Berlin. Wo ist mein Tour-Manager? (sarkastisches lachen) Natürlich kommen wir auch nach Berlin!

Hast du einen Lieblingsplatz in Berlin? Kannst du irgendetwas empfehlen?

Das Michelberger Hotel (lacht). Das White Trash ist umgezogen oder? Wir haben mal da gespielt, wo sie früher waren. Dort habe ich auch mein erstes Finger-Tattoo her. Da war diese Frau, diese deutsche Tätowiererin, die es für meinen Geschmack ein wenig zu sehr genossen hat jemandem Schmerzen zuzufügen. Das hat nämlich scheiße weh getan bzzzz (Tätowier Maschine) und ich schrie nur AAAAAHHHHH! Sie lachte, dieses kleine düstere Lachen, welches mir sagte „Little English Man!“ und ich fragte sie „Scheiße, macht dir das Spaß?“ (lacht)

(herzmukke lacht noch immer bzzz bzzz) Welches ist dein deutsches Lieblingswort?

Dudelsack!

Dudelsack? (schockiert) Spielst du Dudelsack?

Nein, ich hasse Dudelsäcke aber es hört sich lustig an, wenn man es sagt: „Das ist mein Dudelsack, wo ist dein Dudelsack?“

Vor einigen Jahren hast du in Kollaboration mit den Donots die Punk-Rock Hymne „So Long“ rausgebracht. Könntest du dir vorstellen, mit den Donots oder auch den Dropkick Murphys ein ganzes Album aufzunehmen?

Ich habe sogar schon mit den „Dropkick Murphys“ einen ganzen Gig gespielt. Es war ein verdammtes Disaster. Es gibt zwei Wege einen Song zu singen. Der Erste ist, du kennst einen Song und kannst ihn spielen und singen. Der zweite Weg einen Song zu kennen ist, wenn du singst und es klingt wie „lalalllallalaa“ (lacht). Ken war also krank für eine Show in Wien und ich sollte seine Songs übernehmen. Alle fragten „Du kennst die Songs oder?“ und ich nur so „Jaaa, teilweise, kann ich nicht einfach nur ein Bier halten? Was soll ich mit den Zuschauern…“ ich hab es ziemlich verkackt. Als ich wieder zurück in der Garderobe war, dachte ich nur „Jesus fucking christ“, da lag doch echt ein Blatt mit sämtlichen Lyrics vor mir herum. (haut sich auf die Stirn)

Unsere letzte kleine Frage. Was ist dein absoluter All-Time-Favourite Song?

Das ist keine kleine Frage! Das ist eine verdammt große Frage und ich höre sofort auf darüber nachzudenken, weil es dafür nicht nur eine Antwort gibt! Du kannst bspw. nicht „Song to Woody“ von Bob Dylan mit „Flim“ von Aphex Twin vergleichen. Beides Songs, die ich verdammt liebe, ebenso wie „Eagles Become Vultures“ von Converge. Das sind drei Songs die meilenweit voneinander getrennt liegen und absolut unterschiedlich sind. Einer meiner absoluten Lieblingslieder…(denkt nach)… auf dem Pink-Pop dieses Wochenende spielten die Counting Crows. Zu den Counting Crows habe ich Gitarre spielen gelernt. Meine Schwester war ein unglaublich großer Fan und ich hatte eine Gitarre. Ich habe auch versucht Megadeath Songs zu spielen, aber die waren verdammt schwer. Die Song der Counting Crows sind wesentlich einfacher, deswegen übte ich mit ihren Songs. Während des Übens lernte ich dann auch das Songwriting. Deswegen sind Sie für mich eine der drei besten Bands aller Zeiten. Auf dem Pink-Pop Festival haben sie mir dann auch zugeschaut. Das war ein verdammt emotionaler Moment für mich. Als ich mir dann ihre Show ansah kam Adam zu mir bevor sie auf die Bühne gingen, gab mir das Mikrophon und fragte „Kündigst du uns an?“. Ich war so überrascht, dass ich danach meiner Schwester eine SMS schrieb, „Ich habe die Counting Crows angekündigt“, sie schrieb nur zurück „FUCK YOU!“ und ich wieder „Das ist die geilste Band auf der ganzen Welt“ (lacht)

(lachend) Dann sind wir jetzt durch!

Yes, Dankeschön!

Thank you so much, Vielen Dank Frank.

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