Der 11. November zeigt sich von seiner absolut vorzeigbarsten Seite. Es ist kalt, oll, trübe. Na gut nassfeucht ist es nicht, aber ungefähr so verfickt genau das Gegenteil von dem was man mediterranes oder gar tropisches Wetter nennt. Beste Voraussetzungen den Abend mit einer Band verbringen zu wollen, die sich Tropical Fuck Storm nennt.
In den wunderbar wohnzimmergroßen schwarzen Raum des Musik & Frieden passen die Band und eine gefühlte Reisebusladung Indie-interessierter junger wie nicht mehr ganz so junger Menschen. Genau das macht diesen Club aber auch so kuschelig.
Um Acht geht’s los mit einer Melbourner Combo namens RVG. Aus dem Rauchersalon kling’s als würden The Cures kleine Geschwister grade zum Rundumschlag ausholen. Wenn man den vierköpfigen Haufen dann auf der Bühne sieht, sind es nicht Robert Smiths jüngere Verwandte, sondern die von Joey, Jonny, Dedee, Marky und wie sie alle heißen. Selten solch optisch gute Ramonesclones gesehen. Vom Aussehen her passt das auch alles: schluffige Vintageklamotten, Gitarren tief unterhalb der Gürtellinie, auf einer kniehohen Bühne auf Gedeih & Verderben zum Erfolg verdammt. Statt gut abgehangenem Punkrock ballern sie einem die Quintessenz der 80er & 90er Indie- & Darkwavehits originell verwurstet um die Ohren. Nein, sie sind keine Coverband, aber man hört ziemlich gut, dass New Order, Joy Division, Sonic Youth oder Siouxie & the Banshees früher häufig in den Walkmännern Bandsalat produziert haben. Ob Frau Vager, die übrigens auch Namensgeberin des Quartetts ist, heute heiser ist, kann ich nicht beurteilen. Angepisst wirkend steht sie da vorne und bellt oder hustet der verflossenen Liebe hinterher, dass sie nicht mehr weiß, warum es sie überhaupt gab. Das verleiht den wunderbar verschobenen Melodien aber noch das i-Tüpfelchen an Räudigkeit. Aber statt ‘nem ordentlichen Mief aus Zigarettenrauch, Bier und Männeraxelschweiß beginnt es zum Ende ihres Auftritts nach Kokosduftbaum zu riechen.
Eine Weißweinlänge später stehen dann Tropical Fuck Storm auf den Brettern, die im Falle eines euphorischen Sprunges, Kopfschmerzen bedeuten. Die Decke hier ist auch nicht die allerhöchste. Nun gibt es da vorne drei formidabel anzusehende junge Damen nebst einem Herrn, der vielleicht gute Musik zu machen in der Lage ist, aber: DIE ABSOLUTE HÄRTE SIND OBERLIPPENBÄRTE! In der Kombination mit Vokuhila hoffte ich sehr (jedoch vergebens), dass Herr Liddiard lediglich eine Wette verloren hat und nicht freiwillig so aussieht. Der guten Musike schadet das Gottseidank nicht. Zu promoten gibt’s eine kunterbunte Platte namens Braindrops. Durch die ersten paar Stücke wird sich noch warmgefrickelt, um dann doch so etwas wie Songs mit halbversteckten Melodien aus den wohltemperierten Instrumenten zu quetschen und zu würgen. Je weiter der Abend voranschreitet desto mehr weichen die wenigen Harmonien und ufern in Lärmorgien aus, die bei genauerem Hinhören durchaus Struktur haben, in die man sich fallen lassen oder festbeißen kann. Ist es der letzte oder der vorletzte Noisehaufen, der mich an das Geholze von Neurosis zu ihren unfassbar guten Enemy-of-the-Sun-Zeiten erinnert? Egal, Publikum wirkt stellenweise hypnotisiert angesichts dessen was da seine Trommelfelle zermartert. Dabei kann man nicht behaupten, dass es zuuu laut wäre. Man kann sich nicht mehr unterhalten (wozu auch, schließlich soll der Kunst gehuldigt werden), aber die Ohren bluten nicht ob der Wand aus Geräuschen.
Nach etwas mehr als einer gefühlten Stunde war es vorbei damit. Und da die Combo einen ja förmlich dazu nötigt, vulgär zu werden, sei hier noch mal betont, dass es ein verfickt guter Abend war.
Bildergalerie: Tropical Fuck Storm & RVG im Musik & Frieden
Fotos: Mike Menzel