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Pete Doherty – Ein nie enden wollender Abend

Ein Beitrag von Jonas
vom

3. Januar – Die Einen liegen immer noch im weihnachtlichen Fresskoma, die Anderen gewöhnen sich nach dem Silvester-Hangover erst so langsam wieder an feste Nahrung. Doch dann zischt eine Nachricht durch die Indie-Gemeinde Berlins. 22:30 Uhr – White Trash Fast Food. Pete Doherty gibt eines seiner sagenumworbenen Akustik-Konzerte.

Das Warten lohnt sich

Doch trotz der unterschiedlichen Formen der Neujahrsresignation stehen sie da. Über eine Stunde vor offiziellen Anlass gibt es bereits eine ellenlange Schlange und das bei dieser verdammten sibirische Kälte. Eine Kälte, die selbst die größten Smartphone-Suchtis drei mal überlegen lässt, ob sie ihr geliebtes iPhone rausholen. Doch die Liebhaber britischer Gitarrenmusik sind hart gesotten. Als man endlich drin ist, wird sich erstmal aufgewärmt um wieder Gefühl in die Finger und Füße zu bekommen. Denn wer schon einmal bei einem Konzert von Pete Doherty war, weiß: Das eigentliche Warten beginnt jetzt erst. Ganz getreu dem Motto: „Ein Zauberer kommt nie zu spät… Ebensowenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wenn er es für richtig hält.“ Was für Gandalf im Herrn der Ringe galt, gilt auch für Pete Doherty. Um die Wartezeit zu überbrücken, wird sich das eine oder andere Bier gegönnt. So vergehen langsam die Minuten und die Meute wird immer unruhiger. Die Veranstalter rennen wild hin und her. Spielt er oder spielt er nicht? Doch dann kurz nach halb eins, steht auf einmal ein merkwürdiger Typ auf der Bühne. Ein Typ, der an britischen Klischees kaum zu überbieten ist, bittet darum ein Gedicht vorzutragen und das tut er dann auch mehr schlecht als recht. Doch dann wird es wieder lauter. Hinter diesem merkwürdigen Kauz steht auf einmal Pete und ein ganz besonderer Abend kann beginnen.

Die Schreibmaschine immer griffbereit

Pete Doherty
© Jonas Amelong

Obwohl wir jetzt über zwei Stunden gewartet haben, kann man Pete dafür nicht wirklich böse sein. Er ist, wie der Lieblingsonkel, der zu jeder Familienfeier zu spät kommt, aber den trotzdem alle mögen, einfach weil er für positive Stimmung sorgt und die schönsten Geschenke dabei hat. So geht es auch gleich furios los mit „What a Waster“ – der allerersten Single der Libertines. Dem Song mit dem alles begann. Optisch machte Pete an dem Abend sicher nicht dem besten Eindruck – leicht aufgedunsen, bleiche, fast gelbliche Haut und zerzauste Haare. Doch seine Stimmung war um so besser. Nur mit seiner Akustikgitarre ausgestattet lieferte alles, nein eigentlich sogar fast mehr als man erwarten konnte. Nach jedem Song tippte er auf einer Schreibmaschine herum, die auf einer Holzbox stand. Niemand weiß genau, was er schrieb, vermutlich war es die Setlist. Aber who knows? Es war eines der vielen obskuren Dinge, die dieser Abend zu liefern hatte.

„Hat hier jemand Ahnung von Musik?“

Doch dieser Abend war nicht nur auf seine wunderbare Art und Weise skurril, er hatte auch magische Momente musikalischer Natur zu liefern. Einer davon war, als Mr. Doherty nach einer Mundharmonika fragte und tatsächlich fand sich eine im Publikum. Diese wanderte auch direkt Richtung Bühne. Dummerweise in der falschen Tonleiter. Nachdem Pete nicht ganz wusste, wie er dazu seine Gitarre zu stimmen hatte, ging ein „Hat hier jemand Ahnung von Musik?“ in die Runde. Doch die Lösung war schnell gefunden. Der Eigentümer des Instruments begleitete den Frontmann der Libertines schlichtweg selbst. So sahen wir ein wunderbares und einmaliges Duett von „Death On The Stairs“. Das sind diese Augenblicke, warum wir alle zu Konzerten pilgern. Das ist Live-Musik, wie sie sein soll. Insgesamt spielte Pete ca. drei Stunden und lieferte Songs aus seiner gesamten musikalischen Laufbahn ab. Da wurde zu „Fuck Forever“ mit gegrölt, zu „You’re My Waterloo“ die Feuerzeuge rausgeholt und zu „Last Of The English Roses“ einfach etwas gedankenverlorend gestaunt. Dann gab es aber auch noch den großen Schock. Beim Versuch sich ikonisch auf die Boxen zu stellen, fällt Pete kopfüber in das Publikum, das ihn nicht auffangen konntw. Dann Stille und man denkt für einen Moment: Scheiße. Der Typ ist älter als 27 geworden. Scheiße der Typ hat Heroin überlebt und hier stirbt er jetzt. Aber bevor der Gedanke ganz durch den Kopf ist, ertönt die Gitarre wieder. Noch auf dem Boden liegend, fängt er wieder an zu spielen. The Show must go on.

Die perfekte Unperfektheit

Das waren nur einige von vielen Anekdoten, die dieses Konzert zu liefern hatte. Ich könnte vermutlich noch ewig über diesen Abend schreiben. Aber eines weiß ich ganz genau. Es war eines der besten Konzerte auf denen ich je war. Wenn man auf ein Pete-Doherty-Konzert geht, braucht man keinen perfekten Sound und eine stimmige Lichtshow zu erwarten. Da rumpelt es, mal wird ein Song spontan abgebrochen, mal sitzt ein Akkord nicht perfekt. Aber das ist auch total egal. Es ist einfach von vorne bis hinten authentisch. Die perfekte Unperfektheit eben und wenn ich mir eines wünschen kann, dann ist es das die Menschen in 100 Jahren auch noch so eine Art von Musik erleben können.

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