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Let’s Dance to New Order – die Band aus Manchester lädt zum Tanz

Ein Beitrag von Jonas
vom

Über 35 Jahre Bandgeschichte – New Order ist ein Methusalem der Indie-Szene. Am 11. November statteten die Pioniere des Elektro-Pops Berlin einen Besuch ab.

New Order – eine der einflussreichsten Bands aller Zeiten

Wir schreiben das Jahr 1980, eine junge Band aus Manchester ist gerade dabei sich in die Herzen etliche Musikliebhaber zu spielen. Die tiefe Bariton-Stimme des Sängers, der fast schwebend wirkende Bass, die melancholischen Gitarrensounds und die militärisch wirkenden Drums sorgten für einen einmaligen, unverkennbaren Sound. Doch vor dem großen Durchbruch begeht Ian Curtis der Sänger Joy Divisions Selbstmord. Der Traum der großen Karriere scheint zu platzen. Heute gelten „Unknown Pleasures“ und „Closer“ als Meilensteine der Musikgeschichte und haben namhafte Bands wie Interpol, Editors oder The National wesentlich beeinflusst. Doch die drei verbleibenden Mitglieder Peter Hook, Bernard Sumner und Stephen Morris geben nicht auf. Zusammen mit der Freundin des Schlagzeugers Morris Gilian Gilbert gründen sie die neue Band New Order. Aus dem düsteren Post-Punk wird im Laufe der Jahre tanzbarer Elektro-Pop. Doch New Order sind nicht minder einflussreich als ihre Vorgänger und sind heute noch deutlich in vielen Bands wie Hot Chip oder CHVRCHES zu hören. Inzwischen ist Peter Hook nicht mehr bei New Order und zwei weitere Mitglieder haben das verbleibende Trio ergänzt, doch die Band aus dem Nordwesten Englands ist immer noch aktiv. Im September diesen Jahre kam mit „Music Complete“ das inzwischen elfte Album heraus. Deshalb stand natürlich auch ein Besuch Berlins auf dem Plan.

Mark Reeder eröffnet das Konzert

Das Publikum wartet ungeduldig auf die Band. Die Lichter gehen aus. Doch anstatt der Band steht auf einmal ein kleiner, schmächtiger Brite vorne auf der Bühne. Es handelt sich um Mark Reeder. Ehemals deutscher Vertreter von Factory Records dem Label von Joy Division und Gründer des bekannten Berliner Elektro-Labels MFS. Vielen dürfte er auch als Hauptprotagonist des in diesem Jahres erschienen Kinofilms B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin 1979-1989 (zum Trailer) in Gedächtnis geblieben sein. Er eröffnet den Abend mit den Worten: „Herzlich willkommen beim Konzert der großartigsten Band der Welt!“ Anschließend kommt die Band auf die Bühne. Das Publikum reagiert mit frenetischen Jubel.

New Order in Berlin
© Jonas Amelong

Dance-Feuerwerk zu Beginn

Der erste Song des Abends ist „Singularity“ ein Stück des neuesten Albums. Die live meiner Meinung nach besser funktionieren als auf Platte. Auf der Videoleinwand im Hintergrund laufen Bilder des Mark-Reeder-Films und zeigen ein zerstörtes und verstörendes West-Berlin der Achtziger. Anschließend lässt die Band die ganz großen Hits aus dem Köcher. „Ceremony“, „Crystal“ und „Age of Consent“ bringen die Meute in Extase. Alle sind am Tanzen. Das Publikum an diesem Abend ist wild durchmischt. Es gibt die Nightlife-Zombies, bei den man das Gefühl hat, dass sie seit der Hochzeit New Orders durchgängig in Clubs waren, die älteren Herren mit Bierbauch und kahlen Kopf, die ihre wilde Junge an diesem Abend n0ch einmal zelebrieren und die All-Black-Berghain-Hipster, die mit ihrem Look auch Komparse in einem Kevin-Costner-Endzeitfilm spielen könnten. Doch alle scheinen zufrieden.

Ein Gefühl wie eine nächtliche Autobahnfahrt

Anschließend nehmen New Order ein wenig das Tempo heraus und es wechselten sich neue und ältere Songs ab. Dabei stach für mich besonders „Your Silent Face“ heraus. Ein Song, der sich wie das sphärische Gefühl einer nächtlichen Autobahnfahrt anfühlt. Dieses Gefühl von Freiheit und Geschwindigkeit bei dem die Lichter verschwimmen und an einem vorbei fliegen. Bernard Sumner gibt sich gewohnt introvertiert und wortkarg. Aber die Musik New Orders begeistert auch vollends ohne ständiges Anheizen des Publikums. Dann kommt mit „Bizarre Love Triangel“ noch mal ein richtiges Brett. Die Menge tobt und hat man nicht wirklich das Gefühl, dass Bernard Sumner & Co schon an ihren Sechzigern kratzen. Doch das war es noch nicht. Die reguläre Setlist wird mit „True Faith“ und Temptation und man fragt sich, scheiße waren die mal gut. Aber falsch – richtig würde es heißen. Scheiße, sind die noch gut.

New Order in Berlin
© Jonas Amelong

Eine Huldigung Joy Divisions

Anschließend verlassen die fünf Mitglieder die Bühne, um nur ein paar Minuten später erneut zu erscheinen. Dann ertönt ein Song – der sich so ganz anders anhört, als alles was wir bisher an diesem Abend gehört haben. Viele schauen sich verdutzt an. Da ist der Unknown-Pleasures-Jutebeutel wohl mehr modisches Accessoire als musikalisches Statement. Es wurde „Athmosphere“ gespielt von der sagenumworbenen Vorgängerband. Klar erreicht Bernard Sumner nicht das gesangliche Niveau eines Ian Curtis. Doch man fühlt sich doch wenigstens ein bisschen so als würde man Joy Division sehen. Spätestens beim nächsten Song machte es dann bei allen „Klick“. Love Will Tear Us Apart wird zur vollkommenden Huldigung von  Joy Division und Ian Curtis. Im Hintergrund auf der Videoleinwand sieht man abwechselnd Ian Curtis‘ Gesicht, die legendären Plattencover oder die Zeile „Forever Joy Division“. Ein wahrlich magischer Moment. Doch New Order lässt uns nicht mit diesem düsteren, nachdenklichen Gefühl in die Nacht. Ein Song mehr wird noch gespielt. Dieser bringt die euphorische Tanzstimmung des ganzes Abends noch einmal zu einem Höhepunkt. Blue Monday. Ein krönender Abschluss einer wunderbaren Konzertnacht.

 

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