Traditionell schließt die Volksbühne Bühne ihre Saison-Spielzeit mit einem Konzert ab. Irgendwie passend zu dieser doch recht turbulenten und nicht weniger traurigen Spielzeit, standen an diesem hochsommerlichen Tag die Könige der Eckkneipen-Lyrik, wie die Berliner Morgenpost die Band unlängst betitelte, auf der Bühne.
Ein typischer warmer Sommertag, an dem die einen auf Festivals die Ekstase suchten, während andere wahrscheinlich irgendwo ins Wasser hüpften und wieder ganz andere vor dem Fernseher lümmelnd noch diesem Sportereignis mit dem runden Spielgerät etwas abgewinnen konnten. In der Stadt zurück blieben scheinbar eher diejenigen, die aufgrund von Broterwerb, oder Geldmangel nicht weg konnten. Gute Voraussetzungen für einen eher ruhigen Abend.
Die Volksbühne begrüßte ihre Gäste bereits mit einem, mehr oder weniger, kühlen Getränk auf den Treppen des Hauses und die Wiese davor lud dazu ein, den Abend auf eben dieser zu verbringen. Der Saal füllte sich dann auch erst nach Beginn bis fast zum letzten Platz. Die Stimmung schwankte zwischen ruhig am Plastikbecher nippend und abwartend in die Runde schauen. Euphorie oder auch nur Vorfreude suchte ich in den Gesichtern vergebens. Die Bühne erschien viel zu groß und ich fragte mich ernsthaft wie Isolation es schaffen sollte diese mit Leben zu füllen.
Anfänglich holprig…
Ohne große Worte oder Gesten betraten die Herren die Bretter, gesellten sich zu ihren Instrumenten um sogleich mit “Produkt” den Einstieg in ihr Set angemessen zu zelebrieren …. “Ich bin ein Produkt; Ich will, dass man mich schluckt; Dass man mich konsumiert; Sich in mir verliert”. Und genau das geschah dann auch. Gebannt auf die Bühne gerichtete Blicke, leichtes Kopfnicken, geschlossene Augen.
Noch vor einigen Wochen sah ich die Band im Berliner Astra-Kulturhaus vor erheblich mehr Menschen, die wiederum auch mehr kommunizierten, tranken, filmten bzw. überhaupt auf ihren Smartphones rum fummelten. Ganz anders hier. Relaxtes Abhängen, welches aber dank des intensiven Vortrages der Songs durchaus mit langsam steigender Spannung im Publikum zu einem Konzert wurde.
… aber dann hatte der Abend doch Potential
Der Applaus, anfänglich höflich zurückhaltend, wurde von Song zu Song intensiver und länger. Bei knapp einem Drittel des Sets sah man die ersten Arme oben. Tobias Bamborschke schreit, singt mitunter gestikulierend und sich im Scheinwerferlicht windend voller Inbrunst und Hingabe. Die Herren links und rechts außen wirkten auf mich etwas konzentrierter und vertiefter in das eigene Werk, als noch zuvor im Astra. Das Publikum wurde konfrontiert mit dem Untergang, dem (Selbst-)Hass und den depressiven Schwingungen der Band, aber auch gefühlvolle Zeilen wie diesen: “Der Anfang deiner Liebe ist das Ende meiner Wut.”
Eine Achterbahn der Gefühle
Es ist ein stetiger Wechsel der Gefühle, zwischen Wut, Wahn, Liebe, Zorn, Hass und Gleichgültigkeit, die schon so zu einer fiesen Ignoranz heran gewachsen ist. Es gibt wohl keinen Menschen im Saal, der sich nicht irgendwie darin wiederfindet und nachempfinden kann. Das hier ist nicht nur Kunst, das ist ein Stück Therapie. Für Vortragende und Zuhörer gleichermaßen. Dann verwundert es auch nicht, dass ein Ruf ertönt “Tobi, Du bist der Beste!” …. die Reaktion von der Bühne: ein stilles, dankbares Lächeln.
Nach einer Stunde und einer kurzen Pause, schien das Publikum verändert. Einige Bewegungsfreudige fingen an zu tanzen und es wirkte so, als sei zwischenzeitlich etwas Last abgefallen.
Ende gut, alles gut
Die letzte Zugabe war “Vergeben heisst nicht vergessen”. Ein Klavier begleitet die gefühlvolle Stimme von Tobias Bamborschke und beendete damit doch recht versöhnlich den anderthalbstündigen Streifzug durch das Schaffen dieser großartigen Band, die auch gut ohne diese ständigen Rio-Reiser-Vergleiche auskommen kann!
Fotos: Mike Menzel