So war’s beim Highfield Festival 2022 (+Bildergalerie)

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Nach zwei Jahren pandemiebedingter Zwangspause, stieg im August 2022 endlich wieder das Highfield Festival am Störmthaler See. Wir waren für euch mit der Kamera da, um die besten Momente des Wochenendes für euch festzuhalten.

Highfield 2022 Rezension

© Mike Menzel / Herzmukke

Der ICE 572 nach München auf Gleis 2 wird heute in umgekehrter Wagenreihung für Sie bereitgestellt.

Wenn ein Trip zum Highfield so am Berliner Hauptbahnhof beginnt, ist klar: Mache dich lieber auf alle möglichen Unwägbarkeiten gefasst. Dieses Jahr reisen wir, eher unbewusst, quasi klimaneutral mit Bahn & Rad statt vollgepacktem Kombi. 

Des Weiteren bevorzugen die Pressefuzzies auf Grund des fortgeschrittenen Alters statt des Zeltplatzes eine feste Residenz im nahegelegenen Böhlen. Ob ihnen dies zum Vorteil gereicht, wird sich später noch zeigen.

Entspannt radelt es sich von Böhlen aus über illustre Wald- und Wiesenwege in Richtung Festivalgelände. Wie schön der Störmthaler See tatsächlich ist, können wir erst beim diesjährigen Besuch so richtig erfassen, als sich am südlichen Zipfel des Sees eine malerische, von frischem Mischwald & Gesträuch gesäumte Lagune auftut.

Als erste festivaltechnische Herausforderung für den radelnden Reporter erweist sich die Suche nach dem offiziellen „Fahrradparkplatz“. Über den Witz, der aus ein paar ollen verbogenen Bauzäunen besteht, den die Highfieldmacher*innen da in die Landschaft stellen, wird einmal herzhaft gelacht, und wir ketten die Velos am nächstbesten Verkehrsschild an. 

Endlich wieder Festivals, endlich wieder Camping!

Der Gang über das Zeltplatzgelände offenbart, was nicht nur wir die letzten Jahre vermisst haben: fröhliche, aufgekratzte junge wie alte Menschen beim Grillen, Grölen (es soll auch diese ominöse Sommerhit mit L mehrfach zu hören gewesen sein…) und Glampen. Die Dixies sind noch sauber, die Augen noch strahlend, die Kühlboxen noch gefüllt. Völlig vergessen haben wir, wie lang sich die Wege über so ein Festivalgelände ziehen können … bis wir den Bühnenteil erreicht haben, ist es bereits 18 Uhr durch. Die lustigen Poppunks von der SONDASCHULE unterhalten bereits das gutaussehende Publikum aufs Fürstlichste. Das Wetter ist stabil, bedeckt bei angenehmen 20 Grad. Die Getränkepreise sind ebenso solide: halber Liter Hopfenkaltschale 6 Euro. Für die Sparsamen hat der Veranstalter vor der Tür noch einen Kiosk mit Billigbecks und Weißblechpasta hingestellt.

Der Freitag mit Wanda, Bring Me The Horizon und Kraftklub

Um halb acht locken die alpenländischen Punchlinephrasendrescher WANDA zur Blue Stage. Eine Band, die der hier Schreibende seit Jahren nicht ausstehen kann. Das Backdrop verkündet AMORE, die Band betritt (unter lautem Jubel, wie alle andern Bands übrigens auch, daher sei dies hier ein einziges Mal erwähnt) die Bühne und beginnt sein Set mit eben jenem Hit. Steile Ansage, spricht für ein solides Selbstbewusstsein. Jenes hat Rostkehlchen Marco offenbar vom seligen Freddie M. geerbt. Bei den folgenden Songs spielt er in bester Stadionrockmanier mit dem Publikum Call & Response die „Ohhhoohhoos“ und „Aaaamoooor“ hin & her. Prima Entertainment, selbst wenn man die Combo musikalisch nicht mag: Daumen hoch.

Electric Callboy Highfield 2022
© Mike Menzel / Herzmukke

Die zeitlich nahezu parallel auftretenden ELECTRIC CALLBOY ballern einem eine gute Stunde lang ihren Gymcore um die Ohren. Was für eine erfrischende Band, die so famos mit der durchdrehenden Crowd interagiert und sich dabei so wenig ernst nimmt. Elektro paart sich mit Metalcore, beide werden noch ein wenig von frühneunziger Chartpop penetriert. Optisch garniert mit jeder Menge LED-Wände & -Treppchen. Wer nach diesem Workout noch irgendwo verspannt in der Muskulatur ist, hat auf ´nem Festival nix verloren. 

Ebenso gitarrenlastig geht´s bei BRING ME THE HORIZON munter weiter, die Band startet mit „Can you feel my heart“ herrlich pathetisch durch. Herr Sykes kommt sofort nach dem Opener mit den klassischen Ansagen a la „Great to be here“ und „I wanna see this entire crowd movin‘ “. Gern lässt sich der Kraut und die Crowd beim Bilden eines Circlepits beschimpfen, um dann voller Todesverachtung in eben diesen zu hüpfen. Trotz der brauchbaren Show kreist beim Schreiber beim Betrachten ebendieser das Wort „Poser“ durchs Hirn. Wie gerne würde er an dieser Stelle die prollig-doofen, aber grundehrlichen Limp Bizkit sehen? 

Bring Me The Horizon Highfield 2022
© Mike Menzel / Herzmukke

Bis die Band mit dem K beginnt, spielt auf der Antagonistenbühne KontraK. Ob das wohl so beabsichtigt war? Zumindest weiß man bei ihm gleich, woran man ist. Ehemaliger Kampfsportgangstarapper erzählt melodiendramatische Shortstories aus seinem bewegten Leben & das Klatschvolk hat wieder mal Spass in guter alter HipHop-Tradition beidarmig zu wutschen (Arme vertikal bewegen) & zu wedeln (horizontales Armschwenken).

Schlag Mitternacht steht die karl-marx-städter Gang mit den Regenjacken auf der Grünbühn, und wie nicht anders zu erwarten, knallen sie einem gute 90 Minuten ihre Scheiß-auf-die-Hives-Gitarrenpophits aus einem Dutzend Jahre Bandgeschichte umme Ohren. Selbst neue Songs wie „Wittenberg“ werden gnadenlos zertanzt. Nur die Zeile „Nazis raus ruft es sich leichter wo es keine Nazis gibt“ haben einige Besucher*innen immer noch nicht verstehend hören können, denn die obligatorischen Nazis-Raus-Rufe muss man heute peinlicherweise auch hier hören.

Kaum hat KRAFTKLUB die Bühne verlassen, wird aus dem leichten Sommerregen eine mehr als zwölfstündige ordentliche Dusche für Wald, Feld, Flur und Festival. Das ist natürlich kein Grund für die noch immer aufgekratzten Partypeople, sich ins Zelt zu verkriechen. Beim, von einer großen Baumarktkette gesponserten, „Hau-den-Lukas“ wird sich weiter wie Bolle amüsiert, oder man wird gleich nebenan zum Karaoke-Star des Abends gekürt. Leicht angefeuchtet machen wir uns auf den vermutlich einstündigen Rückweg, um nach gefühlten drei Stunden klatschnass und durchgefroren unter die heiße Dusche zu springen.

Kraftklub Highfield 2022
© Mike Menzel / Herzmukke

Der Samstag macht da weiter, wo die Freitagnacht endete. Und da es für den Tag laut der Kachelmannprognose keine Änderungen geben soll, beschließt das unbeugsame Investigativteam, den Festivalsamstag in den Matsch fallen zu lassen. Statt im Schlamm zu catchen, Flunkyball zu spielen und sich KUMMER oder DEICHKIND anzusehen, besichtigen wir das Kraftwerk in Böhlen und gucken fertigpizzaessend fern und Livestream. Rock´n Roll!

Der Sonntag mit Cleopatrick, Casper und Broilers

Frisch wie der junge Sonntagmorgen stehen wir auf dem sumpfigen Campinggelände in Erwartung eines bombastischen dritten Festivaltages. Einen guten Einstieg bietet da CLEOPATRICK. Noisiges Frühstücksmüsli , gemixt aus frühen Arctic Monkeys und Black Sabbath, serviert von zwei jungen Kellnern, die mit Schlagzeug, Gitarre sowie durch moderne Technik in der Lage sind, wie eine Bigband zu klingen.

Um ca. 200% lebensbejahender kommen MAECKES & DIE KATASTROPHEN rüber. Das earlybirdige Publikum aus wippenden, begummistiefelten, sonnenbebrillten Körpern lässt sich mal wieder zu Todesmauern & ähnlichen Späßen animieren. Olfaktorische Schattenseite: man möchte nicht wissen, was am Samstag hier vor der Blue Stage los war, aber es riecht hier in weitem Umkreis vor der Bühne heute extrem markant nach Harn und anderen Ausscheidungen. Die Dixies sind´s nicht. Ich gehe zum Pressezelt – Wasser lassen.

Bald darauf SCHMYDT: Schwiegermutterpop mit Autotunegesang. Der arme Sänger sollte aufhören, den Großteil der Songs in hohen Tonlagen zu singen und stimmlich variabler werden. Der Mann kann nämlich auch tief sehr gut. In den vorderen Reihen sieht man verhältnismäßig viele Frauen ab Mitte vierzig selig lächelnd die Hands up in the Air schwenken. Bin mir sicher, die meisten würden Schmydti mit Kusshand für ihre Töchter einpacken und mitnehmen.

Diese Töchter selbst brächten unter Umständen eher so einen Rüpel wie den Sänger von ZEBRAHEAD nach Hause. Gut gelaunt ballern die Amis ihren melodischen Hardcorepunk in die Weiten der sächsischen Pampa. „I wanna see your Hands in the Air and scream as loud as you can!“ 1.000 x gehörte Klischees, die auch beim 1.001. Mal noch funktionieren. Inklusive das durch Kraftklub allseits beliebte Spielchen „Hinhocken-Müllsammeln-Aufspringen-Müllschmeißen“. 

Highfield 2022
© Mike Menzel / Herzmukke

Ebenso vereinigen sich die Töchter aller Zeltplätze & Wohnmobile bei Nura. Offensiv arschwackelnd hüpft die Gute mit ihren beiden Tänzerinnen wie drei synchronisierte Flummies über die Bretter. Ohne aus der Puste zu kommen rappt sie dabei über Sexarbeit, Selbstermächtigung, in einer von Mackern dominierten Szene und Cunnilingus. Als sie nach „Backstage“ aus dem Publikum jemanden (XY Chromosom) bestimmt, der dafür sorgt, dass ein ordentlich großer leerer Raum zum Hupfen da ist und dafür inflationär den Begriff „Lochbeauftragter“ nutzt, bin ich sicher nicht der einzige, der in dem Zusammenhang vor Lachen zusammengebrochen ist.

Die für Turbostaat eingesprungenen MONTREAL liefern ´ne Dreiviertelstunde flottesten Melodypunk mit Hirn ab. Beste Ansage des Tages kommt von Hirsch: „Wer von euch fährt heute noch nach Hause?“ Einige Hände gehen hoch. „Und wer von euch hat jetzt schon Angst davor?“ Yonas: „Alle anderen!“

Die Metalcoreshow von CALLEJON kann man sich anschauen, ist aber nicht zwingend notwendig, da sie ebenso wie die elektrischen Kuhjungen Trainingsanzüge tragen (originellerweise mit Skelettmotiv), wie die Zebraköpfe zwischen Geschrei, Gebrüll und Gesang wechseln sowie hin & wieder Emo-Passagen wie B.m.t.H. einbauen. Halt nur auf Deutsch. 

Gegen 20 Uhr darf man mal etwas schwächeln, daher sind MADSEN lediglich prima Chilloutmucke, um im Liegestuhl zu sinnieren. Kennt ihr eigentlich auch dieses Phänomen, manche Bands auf Festivals zwangsweise schon so häufig gesehen zu haben, dass man sie fast lieb gewonnen hat? (Meine Top 3: 1. Tocotronic 2. Die Donots (diesmal wegen des Wetters verpasst); 3. Die Antilopengang (dito)).

Casper auf dem Highfield 2022
© Mike Menzel / Herzmukke

CASPER gewinnt dieses Jahr den Blumentopf für die schönste Bühnenoptik. Da brauchts kein Feuer, keine Pyros oder Riesen-LED-Wände, wenn die Bühne über und über (und über) mit Blumen und Balkonkastengesträuch dekoriert ist, dass man den/die Künstler darin fast übersieht. Alles ist schön und nichts tut weh. Jawoll, kurz vor Feierabend bringt es nochmal jemand auf den Punkt. Ein Festival, das laut Veranstalter so gut wie ohne körperliche Gewalttätigkeiten auskommt (Moshpit zählt nicht!) & wo auch die Anzahl der Menschen, die bei den Sanis vorstellig werden müssen, überschaubar bleibt. 

Zum Abschluss noch DIE BROILERS (Limp Bizkit haben abgesagt): Ossi-Grillhähnchen statt weicher Keks. Für einen Vegetarier ist das keine befriedigende Lösung. Fettes Brot, Die Cranberries oder We butter the bread with butter kämen hier eher gelegen. Insgesamt passen sie natürlich ins Line Up der vergangenen drei Tage & feiern mit ihrem Stadionpunk eine fröhliche finale Fiesta. Etwas anstrengend ist, dass Herr Amara in gefühlt jeder zweiten Ansage betonen muss, wie cool Sachsen doch sei. Macht aber nichts: Von der dicht gedrängten ersten Reihe bis zu Pärchen hinten am Riesenrad ist noch einmal alles am Tanzen.

Mit dem Bild eines verträumten Pärchens in himmelblauen Highfield-Hoodies vor der illuminierten Bühne verlassen wir das Open Air in Richtung Alltag. Bis bald vielleicht.

P.S.: Souvenirs, Souvenirs: Beim Versuch, die Pandemie mal für drei Tage zu vergessen, holt sie uns symptomatisch drei Tage später doch wieder ein. 

Das Highfield 2022 in Bildern

Fotos: Mike Menzel

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