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10 Jahre A Design For Life – Dirk und Eric im Interview

Ein Beitrag von Jonas
vom

Seit zehn Jahren sind Dirk und Eric, zusammen bekannt als A Design For Life, fester Bestandteil der Berliner Indie-Szene. Im Vorfeld ihrer Jubiläumsparty am 27.April im Rosis haben wir die beiden getroffen und mit ihnen über ihren bisherigen Werdegang als Indie-DJs gesprochen.

a-design-for-life-foto
© Frank Johannes

Warum habt ihr A Design For Life gegründet? Wie ist die Idee dafür entstanden?

Dirk: Es war eigentlich so, dass es ein Fanzine gab und immer noch gibt, namens Soundmag für das wir damals beide geschrieben haben. Andere Autoren des Fanzines haben von 2005 bis 2008 Partys veranstaltet. Als die aufgehört haben, gab es eine Lücke, die ich wieder füllen wollte. Dann hab ich Eric gefragt, ob er Lust hätte ein DJ-Team zu gründen und A Design For Life ins Leben zu rufen.

Habt ihr vorher schon aufgelegt?

Eric: Also ich noch nicht.

Dirk: Ich hab 1998 angefangen aufzulegen während des Abiturs. Mit meinem besten Freund damals, der inzwischen ein ganz seriöses Leben in Bonn führt, Kinder hat und nur noch selten auf Konzerte geht. Wir haben in einer Eckkneipe in Duisburg angefangen, damals noch mit zwei CD-Playern übereinander. Zusammen mit Sascha habe ich dann in Aachen und Duisburg erste Indie-Partys veranstaltet. Damals hießen die noch Britpop-Partys. Dann bin ich nach Berlin gegangen und habe erstmal nur auf einer Benefiz-Party von Amnesty International aufgelegt.

Das war aber alles aber nie so professionell wie A Design For Life. Früher hab ich noch Anfängerfehler gemacht. Auf unser allerersten Party in Aachen haben wir z.B. auf der Tanzfläche eine Dartscheibe hängen lassen und die Leute haben dann statt zu tanzen, die ganze Zeit Dart gespielt. Solche Fehler haben Eric und ich dann nicht wiederholt.

Warum habt ihr euch für den Namen entschieden?

Eric: Wir hab uns verschiedene Vorschläge überlegt. Dann war A Design For Life von dem Song der Manic Street Preachers, die Option auf die wir uns beide einigen konnten.

Dirk: Wir finden beide, dass das ein sehr prägnanter Name ist und die Manics finden wir beide einfach toll.

Manic Street Preachers – A Design For Life


Wie hat sich die Szene in den letzten zehn Jahren entwickelt? Was hat sich verändert?

Eric: Sie ist auf jeden Fall kleiner geworden. Als wir angefangen haben, waren Indie-Partys praktisch noch ein Selbstläufer. Damals gab es noch viel mehr Auswahl, viel mehr Clubs, viel mehr DJ-Teams. Mit den Jahren ist das dann immer weniger geworden.

Dirk: Man merkt das gerade an den Besucherzahlen. Indie ist momentan nicht mehr angesagt, sondern die Nische, die es auch schon mal war. Aber es gibt immer noch genug Leute die Indie hören und die es zu schätzen wissen, dass es solche Partys gibt. Natürlich ist es in so einer Stadt wie Berlin noch mal schwerer damit erfolgreich zu sein, weil Elektro hier dominiert. Was sich auch verändert hat, ist dass Leute, die Indie hören, auch auf Elektro-Partys gehen. Früher war das eher nicht so, da sind die Leute dann ausschließlich auf Indie-Partys gegangen.

Eric: Die Leute hören heute einfach diverser. Früher haben die Leute nur eine Musikrichtung gehört und alles danach ausgerichtet. Du hast genau gesehen, wer Indie gehört hat. Die Leute liefen mit Trainingsjacke, Matte, Seitenscheitel und Lederjacken rum. Heute könnte einer Indie hören, sieht aber aus wie ein Hip-Hopper. Einer sieht aus wie ein Indie-Typ und hört Elektro.

Ist die Szene auch älter geworden? Glaubt ihr, dass es ein Problem gibt junge Indie-Hörer anzuziehen?

Eric: Es gibt auf jeden Fall weniger junge Indie-Hörer. Aber die, die es gibt, sind ziemliche Auskenner. Das liegt auch an den neuen Möglichkeit wie Spotify oder YouTube. Man kommt heute viel leichter an neue Sachen.

Dirk: Anderseits ist es tatsächlich so, dass man bei einer gewissen Gruppe von Indie-Party-Gängern das Gefühl hat, dass sie keine aktuelle Musik mehr konsumieren und den ganzen Tag Mr. Brightside und Kraftklub hören.

Eric: Viele sind auf dem letzten Hoch von 2005 bis 2010 hängen geblieben. Alles was neuer ist interessiert sie nicht. Viele sind in ihrer Nostalgie gefangen. Das finden wir schade. Auch wenn es nicht mehr so populär ist, gibt es immer noch viele gute neue Bands und Musikerinnen. Die Leute können das leider nicht mehr so anerkennen wie zu unserer Anfangszeit.

Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass die Leute älter geworden sind.

Eric: Komischerweise sind es auch eher die jungen Leute, die sich dann Mr. Brightside wünschen. Man denkt sich dann, dass die vielleicht zehn Jahre alt waren, als der Song rauskam.

Dirk: Es ist tatsächlich ein Paradoxon. Heute gibt es so viele Möglichkeiten so gut informiert zu sein, wie noch nie. Der DJ ist heute nicht mehr so anerkannt wie früher als Vorreiter, der die neuen Sachen mitbringt und zeigt. Trotzdem sind die Leute oft nicht so gut informiert. Man merkt das selbst bei den populären Bands wie den Wombats. Wenn man in der selben Woche, in der die Single rauskam den neuen Song spielt, hast du teilweise Fragezeichen in den Gesichtern der Leute.

Eric: Früher als ich nur Gast war und ein neuer Song kam, hat man erstmal weiter getanzt, hat sich den Song angehört und ist danach vielleicht hin zum DJ und hat gefragt, was das für ein Song war.  Heute hören die Leute auf zu tanzen, wenn sie irgendwas nicht kennen. Die Offenheit und das Vertrauen in den DJ ist verloren gegangen.

Dirk: Das merkt man teilweise auch daran, dass die Freundlichkeit auch im Umgang mit dem DJ etwas abgenommen hat. Das ist aber auch ein Spiegelbild der Gesellschaft.

Eric: Aber 95 Prozent der Leute sind natürlich immer noch nett.

In welchem Club hat es für euch angefangen?

Eric: Im alten Privatclub, dem heutigen Auster Club haben wir unsere ersten Gehversuche unternommen. Den mochten wir sehr gerne, der hatte eine schöne Größe. Benny, der das gemanagt hat, war ein total netter Kerl. Ihm und dem Booker Norbert sind wir auch total dankbar, dass sie uns das damals ermöglicht haben. Damals hat man dem Indie noch mehr vertraut als heute.

Wann ging es für euch Richtung Rosis – eurem heutigen „Wohnzimmer“?

Dirk: 2011 haben wir das erste mal im Rosis aufgelegt und sind seitdem bis heute fester Bestandteil der Indietanzbar. 2008 haben wir im Privatclub angefangen, dann auch lange im Kaffee Burger aufgelegt. Auch im KingKongKlub und dem Magnet. Die heute alle leider der Gentrifizierung zum Opfer gefallen sind.

Ist das Rosis auch euer Lieblingsclub?

Eric: Ja, auf jeden Fall, von den Leuten, die das organisieren über das Publikum, der Anmutung, dem Vibe und dem Sound passt alles.

Dirk: Die ganze Location ist ein Club, den man einfach nur toll finden kann. Wir beide haben das Rosis sehr ins Herz geschlossen. Das Rosis ist eine optimale Mischung aus typischen Berliner Club und dem Außenbereich mit Biergarten und Tischtennisplatte. Gerade die Indietanzbar, die jeden Donnerstag statt findet, ist über der Jahre hinweg schon der Indie-Szenetreff der Stadt, wo man immer bekannte Gesichter trifft.

Seid ihr auch in anderen Städten aktiv?

Dirk: Wir legen regelmäßig im Ilses Erika in Leipzig auf. In Halle auch in der Drushba. Gerade dort merkt man auch, dass Indie aktuell nicht mehr so angesagt ist und der Betreiber mehr auf Neunziger und Hip-Hop setzen muss. In kleineren Städten ist es teilweise noch schwieriger. Wir haben auch noch im Silbergold in Frankfurt, im Helgas Stadtpalast in Rostock und in der kleinen Freiheit in Osnabrück aufgelegt.

Eric: Wir sind schon gut rumgekommen.

Gibt es Unterschiede zwischen den Städten, was die Atmosphäre angeht?

Dirk: Insgesamt ist es schon ähnlich von den Reaktionen her. Natürlich gibt es immer einzelne Songs, die nur in den jeweiligen Städten Hits sind. Die meisten Songs werden aber überall gleich erkannt, was sicher auch am Internet liegt.

Ist das Berliner Publikum trendbewusster?

Dirk: Gerade in dem Silbergold in Frankfurt ist man offener. Dort funktionieren neue, unbekannte Sachen besser. Das liegt aber auch an den Resident-DJs vom Fanklub vorort, die einen sehr guten Job machen. Trendbewusster ist das Berliner Publikum nicht.

Eric: In den kleinen Städten sind die Leute vielleicht auch ein Stück dankbarer wegen der geringeren Auswahl. Die sind froh, dass in ihrer kleinen Stadt überhaupt etwas stattfindet und reagieren dementsprechend euphorischer. Die Berliner sind da eher cooler und zurückhaltender.

Was war das schlimmste was euch in den zehn Jahren passiert ist? Gab es mal einen Technikausfall oder ein Besucher, der ausgerastet ist?

Dirk: Mit der Rialto Lounge habe ich mal im Elsterartig in Leipzig aufgelegt. Dort hat ein Besucher ein volles Bierglas über das Mischpult geworfen im Streit. Anschließend ist das Mischpult und ein CD-Player komplett ausgefallen. Ich hab dann eine Stunde nur mit einem CD-Player aufgelegt. Das ging aber auch.

Sonst nichts weiter?

Dirk: Eine Sache fällt mir noch ein. Das passt auch zur mangelnden Offenheit. In Leipzig, im Ilses Erika war das Indie-Verständnis eines Besuchers sehr eingeschränkt. Als ich einen Song vom neuen Grimes-Album gespielt habe, hat der Besucher den Song nicht als Indie anerkannt und hat einfach den CD-Player ausgemacht. Woraufhin ich mich ein wenig um ihn gekümmert habe und mit ihm das ausdiskutiert habe.

Gab es besonders schöne Momente in den zehn Jahren?

Dirk: Der schönste Moment ist einfach, wenn wir beide dort oben stehen und auflegen, Spaß haben, der Club voll ist und die Leute tanzen. Am besten zu einem Song, der kein abgestandener Hit ist.

Eric: Wenn man etwas neu entdeckt hat und die Leute so drauf reagieren, wie man selbst auch drauf reagiert hat, ist das besonders schön.

Dirk: Einer meiner schönsten Momente war als sich ein Mädchen einen Bonus-Track vom ersten CHVRCHES-Album „Strong Hand“ gewünscht hat. In Aachen hat ein anderes Mädchen, weil sie ihre Diplomarbeit bestanden hat, gefragt ob ich von Chapterhouse „Pearl“ spiele. Das waren so meine schönsten Musikwünsche.

Zu dem Thema kommen wir auch gleich noch. Ihr legt mit CDs auf – warum habt ihr euch dafür entschieden?

Dirk: Es sieht einfach besser aus.

Eric: Als wir angefangen haben, war das so noch üblich. Im Indie-Bereich hat damals niemand mit Laptop oder Vinyl aufgelegt. Da sind wir einfach bei geblieben.

Dirk: Ich mag das nicht so sehr, wenn DJs mit Laptop auflegen und die ganze Zeit auf den Bildschirm starren. Bei uns ist immer etwas mehr Bewegung und Action.

Eric: Man ist direkter am Geschehen, hat ein Feeling für die Songs und die Übergänge, weil man direkt am Mischpult ist und nicht das virtuelle nutzt.

Gab es zwischen euch auch mal Differenzen z.B. musikalischer Art?

Eric: Ich denke nicht. Wir sprechen uns immer gut ab und sind uns schnell einig. Es kommt schon vor, dass einer eine Song oder eine Band mehr mag als der andere. Jeder darf seine Sachen auflegen.

Dirk: Jeder präferiert natürlich bisschen andere Bands. Aber das macht dann auch die Mischung von A Design For Life aus, dass wir nicht nur einen Stil haben. Interessanter Weise haben wir anders angefangen, als wir heute auflegen. Im Privatclub hat jeder abwechselnd eine halbe Stunde aufgelegt. Eric hat damals sehr viel Gitarren-Indie aus den 00er gespielt. Ich hab bisschen mehr die nerdige Sachen gespielt, z.B. Get Well Soon als die rauskamen. Inzwischen haben wir uns beide mehr angenähert haben. Das Spektrum von uns beiden ist breiter geworden. Wir decken sehr vieles ab und es gibt wenige Disharmonien zwischen uns.

Eric: Du warst auch früher von der Aachener Zeit geprägt und hast mehr Britpop aufgelegt.

Dirk: Wir sind definitiv aktueller geworden in letzter Zeit.

CHVRCHES – Lies

Wie seht ihr Indie-DJs, die ausschließlich älteres Zeug spielen?

Eric: So lange die Leute da hingehen hat das alles seine Berechtigung, weil die Nachfrage ja da ist. Wir machen es anders und haben unseren eigenen Stil. Ich würde jetzt niemanden dafür kritisieren. Das muss jeder selbst wissen.

Dirk: Ich hab damit durchaus ein Problem. Ich finde das schwierig. Einerseits möchte ich zu einer Party gehen und neue Sachen entdecken und nicht nur altes hören, was schon immer läuft. Anderseits haben wir die mangelnde Offenheit von Indie-Party-Besucherinnen kritisiert. Das liegt auch daran, dass DJs zu wenig Mut zeigen und zu viel Altes und Bekanntes spielen. Sodass die Leute dann auch die neuen Sachen nicht kennen. Das fällt dann wieder auf DJs wie uns zurück, die auch neuere Sachen spielen. Das trägt dann auch dazu bei, dass Leute nicht offen genug sind.

Welche DJs aus der Szene würdet ihr hervorheben?

Dirk: Ich find‘ keinen den man wirklich loben kann. Wir machen das wirklich am geilsten. Spaß beiseite. Wen wir sehr schätzen sind Gold Lions, die neben uns den aktuellsten Indie auflegen und eine gute Mischung aus Gitarren-Indie und Indietronic servieren.

Eric: Der persönliche Kontakt ist aber zu allen gut. Gerade auch über das Rosis. Es gibt einen Zusammenhalt. Man freut sich, wenn man die anderen sieht. Wir sind auch mal auf anderen Partys, andere DJs besuchen unsere Partys. Es gibt schon einen guten Austausch.

Also kein Konkurrenzdenken?

Dirk: Nicht wirklich. Alle mögen sich und verstehen sich. Auch wenn ich manche kritisiert habe. Es gibt kaum DJs, die ich wirklich schlecht finde. Die meisten haben ihre Qualitäten und Kompetenzen.

Wie steht ihr zum Thema Musikwünsche?

Dirk: Von Anfang an war es für uns ein wichtiger Bestandteil, dass wir nett und nicht arrogant zu den Leuten sind. Ich habe arrogante DJs schon immer gehasst. So weit es möglich ist, erfüllen wir die Wünsche unserer Gäste.

Eric: Es kommt auch darauf an, wie die Leute es anbringen. Wenn sie nett sind, ist es immer besser, als wenn es einer dahin „schnottert“. Wie man in den Wald ruft, so schallt es auch zurück.

Dirk: Natürlich spielen wir Sachen, die wir selber mögen, dann auch lieber. In der Regel versuchen wir alle Wünsche zu erfüllen. Die Sachen, die wir dabei haben, sind dann auch spielbar.

Eric: …und die wir gut finden. Halbwegs gut sogar.

Welchen Tipp würdet ihr jemanden geben, der selbst auflegen möchte?

Dirk: Einfach machen. Aber nicht drauf gucken, ob es erfolgreich wird, sondern einfach Spaß dabei haben. Die Liebe zur Musik ist das Wichtigste. Das ist auch das was uns ausmacht. Wir haben einfach Bock aufzulegen, dass andere dazu tanzen können und dadurch auch Neues entdecken. Es gibt eigentlich nichts Schöneres als wenn jemand auf uns zukommt und fragt welche Band das war, die wir gespielt haben.

Mit welchen Song würdet ihr die vergangenen zehn Jahre definieren?

Dirk: Das wird jetzt wahrscheinlich, die wenigsten verwundern, die das lesen…

Eric: … Metallica …

Dirk: Die für mich wichtigste Band, der vergangenen sechs und somit auch zehn Jahren sind definitiv CHVRCHES. Die Debütsingle „Lies“ habe ich damals stundenlang auf Repeat gehört. Dementsprechend definitiv der Song.

Eric: Da sieht man auch wieder die Differenzen zwischen uns. Dirk ist natürlich der Oberfanboy von CHVRCHES. Da kann ich gar nicht mithalten. Deshalb würde ich etwas anderes nehmen. Schwierig. Die Arctic Monkeys waren für mich damals als die raus kamen nochmal ein Schub. Ich finde sie sind von der letzten Indie-Welle, die Band die sich am besten entwickelt und immer gute Alben gemacht hat. Eine der wenigen Bands aus der Zeit, die immer noch relevant sind und nicht in der Versenkung verschwunden sind wie Kaiser Chiefs und Konsorten.

Und wenn du jetzt einen Song wählen müsstest?

Eric: Dann würde ich Mardy Bum wählen.

Arctic Monkeys – Mardy Bum

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