Elf Monate sind seit dem letzten Auftritt von Thees Uhlmann vergangen. Eine Zeit in der eine Menge passiert ist. Thees veröffentlichte seinen ersten Roman „Sophie, der Tod und ich“ – ein großer Erfolg bei Kritikern und Fans. Nach einer riesigen Tour durch die Lesesäle Deutschlands war die Sehnsucht nach Gitarrensounds und verschwitzten Clubs aber wieder gewaltig. Am 09. August gab Thees Uhlmann & Band im SO36 nach fast einjähriger Pause sein Comeback. Wir waren dabei.
Mein erstes Thees-Uhlmann-Konzert
Es gibt Bands von deren Existenz weiß man zwar, aber so richtig beschäftigt hat man sich mit ihnen nie. Warum auch immer. Zu dieser Kategorie gehörte für mich bis zum Anfang des Jahres Tomte sowie Thees Uhlmanns Soloprojekt. Doch dann war es Zeit herauszufinden, was die Hamburger außer „Ich sang die ganze Zeit von dir“ noch auf dem Kasten haben. Und was soll ich sagen. Tomte sind seitdem ein prägender Bestandteil meines persönlichen Soundtracks des Jahres. Irgendwie so als wenn man mit dem Mädel aus der Nachbarschaft, welches man seit Jahren nur vom Sehen kennt eines Tages das erste Wort wechselt und sofort spürt dass da mehr ist. Manchmal kann das Schöne so nah sein. So stand nach dem ausgiebigen Hören der Platten und des Lesens des Romans von Thees Uhlmann natürlich auch der Besuch des Konzerts im legendären SO36 auf dem Programm.
Matze Rossi eröffnet den Abend
Bei dem Namen Rossi schalten bei mir im musikalischen Sinne sofort die Alarmglocken an. Ganz schlimme Kindheitserinnerungen kommen hoch. Semino Rossi im Musikantenstadl bei meiner Oma. Auch wenn ich immer nach wenigen Sekunden den Raum verließ, sind diese Assoziationen nur schwer zu löschen. Zum Glück betrat nicht Semino, sondern sein Namensvetter Matze das SO36 und lieferte lediglich mit seiner Gitarre ausgestattet ein optimales Aufwärmprogramm für Thees Uhlmann. Nicht nur durch seine Punk-Vergangenheit sondern auch mit seiner rauchigen Stimme und den melodischen Mitsingnummern erinnert Matze ein wenig an Frank Turner. Sicherlich nicht der unschmeichelhafteste Vergleich. Nach etwas mehr als einer halben Stunde war Schluss und im Publikum machte sich langsam Aufgeregtheit breit.
Pünktlich um neun betrat der Wahlberliner mit der markanten Zahnlücke und seine fünfköpfige Begleitband die Bühne des SO36. Für Thees das erste Mal im legendären, seit Wochen ausverkauften Kreuzberger Club und er und seine Band legten direkt mit Karacho los. Rock’n’Roll von der ersten Minute an. Die inzwischen 42 Jahre merkt man Thees keineswegs an. Er hat Bock, richtig Bock – wie ein Newcomer, der es noch allen beweisen will. Das Set startet mit „Lat: 53,7 Lon: 9,1167“ und geht mit „Das Mädchen von Kasse 2“ direkt in den ersten Höhepunkt über. Das Publikum singt die Texte über Melancholie und Sehnsucht mit voller Inbrunst mit, gibt sich allerdings etwas bewegungsarm, was vermutlich auch am auffallend hohen Altersschnitt liegen könnte. Positiver Nebeneffekt: Man sieht kaum Smartphones. Schon bald folgte mit „Schreit den Namen meiner Mutter“ mein persönliches Highlight des Abends. Der alte Tomte-Klassiker aus dem Jahre 2003.
Lana del Rey und die Hosen
Insgeheim hoffte ich ja, dass Casper zu „& Jay-Z singt uns ein Lied“ als Überraschungsgast mit auf die Bühne kommt. Aber geirrt. Thees rappte den Casper-Part einfach direkt selbst mit. Anschließend wurde es ruhiger. Die Band verließ die Bühne und Thees Uhlmann übernahm mit seiner Gitarre als Alleinunterhalter. Thees, der immer wieder ein paar Anekdote im Repertoire hat, erzählt ein paar Storys über die Geschichte des SO36 – dem „geilsten Schlauch Berlins“. Das alles in seinem markanten norddeutschen Slang und ab und zu unterbrochen von seiner „dreckigen“ Lache. Keine Frage – er ist mit Spaß und Herz dabei.
Dann kam er langsam auf die Hosen zu sprechen und erzählte davon wie er eines Tages Campino kennen lernte und er zu ihm meinte: „Ich weiß genau, wer Du bist. Du bist der Einzige in der Indie-Szene, der die Flagge der Toten Hosen hochhält. Und wir, die Toten Hosen aus Düsseldorf, vergessen so etwas nicht.“ Natürlich folgte im Anschluss mit „Liebeslied“ ein Cover der Düsseldorfer Band. Mit der St. Pauli-Hymne „Das ist Fußball“ folgte ein zweiter Akustiksong. Die bestens aufgelegte Band kam wieder zurück auf die Bühne und die Rock’n’Roll-Show ging weiter. Thees mal ohne Gitarre, mal mit und immer wieder wird zwischen den Songs ein bisschen geschnackt. Ständiger Inhalt dieser unterhaltsamen Unterbrechungen war Lana del Rey. Über die er mit seiner Band auch mal spontan einen Klamauk-Song improvisierte. Vielleicht ein kleiner Seitenhieb in Richtung Blumfeld-Sänger Jochen Distelmayer, der ja neuerdings Songs der US-Amerikanerin covert.
Drittes Solo-Album im Winter
Mit Zugvögel ging das Set zu Ende. Doch das Publikum verharrte und Thees Uhlmann und seine Band kam nach kurzer Pause zurück auf die Bühne. Nochmal drei weitere Songs durfte die Fans genießen, unter anderen der größte Hit „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“. Nochmal die letzte Kraft aus den Stimmbändern geholt und nicht nur ich war verschwitzt, sondern auch Thees merkte man nach den eineinhalb Stunden an, dass er alles gegeben hat. Ohne Frage. Für mich eines der Konzerthighlights des Jahres. Eines der Konzerte, wo man auch an den kommenden Tagen praktisch in Endlosschleife die Musik Revue passieren lässt und eigentlich nichts mehr anderes hören möchte und irgendwie schäme ich mich dafür Thees mindestens 10 Jahre zu spät entdeckt zu haben. Aber was solls. Lieber spät als nie. Einen wunderbaren Abend gehabt und einen Lieblingskünstler dazu gewonnen. Eine Überraschung hatte Thees Uhlmann während der Konzerts auch noch im Gepäck. Im Winter soll die dritte Solo-Platte erscheinen. Und im Sommer dann eine Tomte-Reunion, oder Thees wie wärs?