Liebe, Sehnsucht, Tod – Woods Of Birnam machen sich mit „Searching for William“ auf die Suche nach den zentralen Themen des Lebens. Am 20.01.2017 erscheint der Tonträger und zum Jahreswechsel konnte man sich erstmals live von diesem Spektakel überzeugen.
Dass Shakespeare Pop kann, wissen wir spätestens seit Leonardo Di Caprio in der Verfilmung von „Romeo und Juliet“ Claire Danes durch ein Aquarium anschmachtet und zu Musik von Radiohead in Zeitlupe am sonnendurchfluteten Strand von Verona entlang geht. Tausende von Teenagern sind damals verzückt in die Buchläden gerannt, um sich das Original von Shakespeare in kleinen Reclam-Heftchen zu kaufen.
Shakespeare fasziniert, richtig verpackt, immer noch und immer wieder. Auch ein „Hamlet“ kann ein Publikumsmagnet sein kann, das beweisen über Jahre hinweg ausverkaufte Vorstellungen am Staatsschauspiel Dresden. Das liegt nicht nur, aber zu einem großen Teil, an der grandiosen Musik. Ohne die Musik von Woods of Birnam wäre das Stück nie so lange so erfolgreich gewesen – und ist es auch jetzt noch.
Woods Of Birnam machen Musik für die Bühne – und das Leben
Shakespeare spielt auch weiterhin eine Rolle bei der Suche nach der Identität der Band. Ihr zweites Album „Searching for William?“ feierte am 28.12.2016 eine umjubelte Premiere. Sie endete mit stehenden Ovationen und viel begeistertem Applaus. Das Team um die Produktion hat ihre Sache gut gemacht.
Es ist Musik, die für die Bühne gemacht ist, aber so wie „I’ll call thee Hamlet“ vom Vorgängeralbum der Band Woods of Birnam hervorragend als eigenständiger Song funktioniert, haben auch hier die Songs Potenzial sich aus der Theaterwelt zu lösen und einen Platz im Alltag zu finden. Durch die Popmusik wird den Zuschauern eine Tür gezeigt, die sie ohne sie vielleicht gar nicht wahrgenommen hätten. Diese Tür führt ins Theater und vom Theater hinaus in die Welt. Die Ent-und Verführer sind Christian Friedel und seine Band.
Es ist unglaublich, wieviel kreative Energie in diesem Mann steckt. Und man kann unendlich dankbar sein, dass es Leute gibt, die ihm eine Bühne geben! Endlich wird einmal klar, was alles Wunderbares möglich ist, wenn man den richtigen Künstlern Raum gibt. Christian Friedel inszeniert so, wie er es selbst gerne sehen und erleben würde. Es ist ein Erlebnis für alle Sinne. Bewegte Bilder und Collagen, die auf zwei Ebenen projiziert werden und dadurch oft dreidimensional wirken, arrangierte Spielräume, die geometrisch und dramaturgisch durchdacht mit Licht und Schatten Spannung erzeugen oder lösen, phantastisch-mystische Wälder in denen Shakespeares Figuren handeln und wandeln. Liebevoll stellt er seine Band so oft wie möglich in den Fokus, Ludwig Bauers Bassklarinette klingt faszinierend, genauso wie das virtuose Gitarrenspiel von Philipp Makolies. Fotos der verkleideten Bandmitglieder huschen gefühlt öfter über die Bühne als seine eigenen, jeder bekommt seine Rolle, die so wichtig ist wie er selbst. Er weiß genau, was er an der Band hat und doch ist es letztendlich er, der das Publikum verzaubert.
Christian Friedel spielt und singt sich von der ersten bis zur letzten Sekunde die Seele aus dem Leib! Wenn er in seiner grauen, kuschligen Kapuzenjacke im Proberaum steht, dann ist er ganz er selbst, intensiv, verletzlich, humorvoll und transparent. Nie ist er mehr privater Mensch als in seiner Musik. In den folgenden Szenen verwandelt er sich scheinbar mühelos in die unterschiedlichsten und krassesten Charaktere Shakespeares, von Hamlet bis Macbeth, rezitiert in tadellosem Englisch die berühmten Monologe, tanzt in überdimensionalem Reifrock und bringt es dabei noch fertig, die Gesamtinszenierung nicht aus den Augen zu verlieren, in exaktem Timing den richtigen Ton zum passenden Wort anzustimmen und Spezialeffekte mit Licht und Nebel selbst zu dirigieren. Man kommt aus dem Staunen gar nicht heraus. All das wird getragen von der wunderbaren Musik der Band, im Sinne eines sich fortsetzenden Dialogs zwischen traditioneller, lyrischer Vergangenheit und einer Zukunft, die wir selbst bestimmen können und müssen.
Shakespeare neu zum Leben erweckt
Was wir mit nach Hause nehmen, ist ein Bühnenwerk in 5 Akten und eine CD(+Bonus-CD), die im Buchdeckel bzw.-rücken eines aufwendig gestalteten Songbooks versteckt sind, dessen Format tatsächlich eher in ein Bücherregal passt.
Die Musik auf der CD lässt uns wieder einmal neugierig auf Shakespeare werden, bietet aber auch Projektionsfläche für eigene Träume. Von opulent orchestral, wie bei der „Overture“, über schwebende Melodien wie bei “ My rude ignorance“, gitarrenlastige Stücke mit filigran flirrendem elektronischen Hintergrund wie in „Something wicked this way comes“ bis zum rockig-aufschreienden „Something is rotten“ mit den wunderbaren Streichern, dem folkig-schwingenden „Where the bee sucks“ und dem zarten „The Willow Song“, einer zerbrechlich-feinen Komposition mit treibendem Bassbeat, ist für wirklich jeden etwas dabei, was sich in Ohr und Herz festsetzt und nicht mehr fort will. Christian Friedels Stimme singt klar, leidenschaftlich und geheimnisvoll und fährt bei den gesprochenen Sonetten, die clever platziert sind, zu rezitativer Hochleistung auf.
Die Bonus-CD beinhaltet noch einmal 5 (+1 hidden) Stücke, die auf vergangenen Tonträgern schon einmal zu finden waren, hier aber in einer brillanten Live-Version.
Damit Shakespeare, der Textpate, nicht zu kurz kommt, sind alle Lyriks, Verse, Zitate und Sonetten mit Angaben aus welchem Stück, welcher Akt, welcher Szene im Songbook abgedruckt.
Das Komplettpaket: ein liebevolles, musikalisches Meisterwerk. Unbedingt empfehlenswert.
Das Album „Seaching for William“ von Woods of Birnam ist ab dem 20.01.2017 überall erhältlich, sowie vorab bei allen Vorstellungen der Band am Staatsschauspiel Dresden.