Warum ist deutschprachige Musik so unwahrscheinlich homogen und charakterlos? Warum halten sich die gleichen nervigen Künstler ewig? Und warum geben wir, trotz konsequentem Gemecker, Qualität keine echte Chance?
Die omnipräsente Schizophrenie in der deutschsprachigen Musik
Unser Verhältnis zu ihr ist zutiefst schizophren. Oder zumindest schizophrener als es in der von mir wahrnehmbaren Vergangenheit je war! Stellt man das Radio an, kommt man nicht um deutschsprachige Musik und die immer gleicher Namen herum. Da ist der Adel, der Andreas, der Mark und natürlich ihre große Anführerin, die Helene! Und so omnipräsent die deutsche Sprache im Moment auch auf allen akustischen Kanälen ist – scheinbar ist ein ordentlicher Batzen an Nachfrage vorhanden – so ist es auch der allgemeine Tenor, der da lautet: “Das? Ne, das kannst du doch nicht hören. Hör dir mal die Texte an – furchtbar!“
Ich erinnere kurz: So etwas ähnliches ist schon einmal geschehen. Vor etwa 30 Jahren. Damals als der Dieter und der Thomas in viel zu hohen Tönen in hellblauen und rosa Sakkos über quietschbunte Synthies die immer gleichen Melodien sangen. Ja, das war zwar auf Englisch, aber prinzipiell das gleiche Phänomen: Laut eigener Aussage mochte das auch früher schon niemand und trotzdem ist es bis heute nicht aus der Popwelt dieses Landes wegzudenken. Der Dieter behauptet sogar immer noch Jahr für Jahr, er wisse wie Musik funktioniere und könne aus einem Haufen grenzdebiler Teenager, die wahllos Geräusche von sich geben, den nächsten Superstar heraussuchen. Aber immerhin versucht er es nicht blind. So wie die fünf anderen auf den roten Drehstühlen bei der Konkurrenz.
Wir ersticken gute deutschsprachige Musik im Keim.
Jetzt mögen einige sagen: „Moment, Chris, da machst du es dir zu einfach! Da sind doch auch noch AnnenMayKantereit, Isolation Berlin und ganz bald bestimmt auch Von Wegen Lisbeth. Die haben gute Texte, die machen ihr eigenes Ding und haben trotzdem Erfolg!“ Stimmt schon, ja. Aber Isolation Berlin und Von Wegen Lisbeth sind außerhalb von Berlin leider noch weit von allgemeiner Bekanntheit entfernt und was das „Business“ macht, wenn deutschsprachige Musik tatsächlich Werte wie Authentizität und Originalität vertritt und in der bunten Welt von dem Joris und seinen Freunden mitspielen will, konnte man ja neulich erst überall lesen. Es tut mir übrigens immer noch Leid, AnnenMayKantereit! Aber wo viel Mist ist, da sind die Menschen scheinbar dazu bereit ihre gesamte popkulturelle Hoffnung auf die schmalen Schultern vier Kölner Straßenmusiker zu legen. Und wenn der Henning, der Severin, der Christian und der Malte des ewigen „gegen-den-Strom-Schwimmens“ müde werden und dann eine kleine wohl verdiente Pause im Schoß des Majors suchen, dann hört man sie wieder rufen: “Das? Ne, das kannst du doch nicht hören. Hör dir mal die Texte an – furchtbar!“