Die Chemnitzer Rap-Rock-Band veröffentlicht am 23.09. ihr viertes Album “Kargo”. Nach “Keine Nacht für Niemand” folgte eine fünfjährige Pause, in der Felix Brummer sich als Solokünstler unter dem Namen “Kummer” ausprobiert hat. Dabei gibt es auf elf Tracks einige Features und tanzbare Nostalgie.
Selbstreflektion und Liebe
Die meisten Titel des Albums wurden schon vorab veröffentlicht: “Teil dieser Band” startet mit einer Mischung aus Nostalgie und Erinnerungen an ihre erste Platte “Mit K”. Dieses Gefühl zieht sich durch das gesamte Album. Etwas moderner klingen die Titel; mit mehr Autotune und trotzdem klassischem Kraftklub-Sound.
“Ein Song reicht” ist ein Liebessong über die Erinnerung an verflossene Liebe, den man auch schon live auf dem Konzert “Wiedervereinigung 2” hören durfte. Schon dort waren die Fans text- und tanzsicher. Zugleich ist der Kontrast zum Song “Kein Liebeslied” deutlich hörbar.
In die gleiche Kerbe schlägt der Titel “Blaues Licht”, der zwischen Drogen, Polizei und Liebe an “Hand in Hand” erinnert, zudem aber liebevoller und moderner wirkt.
Der vorab schon oft analysierte und kritisierte Track “Wittenberg ist nicht Paris” erinnert an “Ich will nicht nach Berlin” und knüpft so an den Erfolgstitel der Band an. Der Song klingt wie die ältere Fortsetzung des Titels und kritisiert die Großstadt und die Scheinheiligkeit der Leute darin. Die Parallelen zum ersten Album sind klar hörbar, aber geschickt zwischen Rückblicken, neuen Gedanken und catchigen Sounds verwoben.
Features und Neue deutsche Welle
Das Tokio Hotel Feature aus “Fahr mit mir” hat nicht nur Live für gute Stimmung gesorgt; die Hommage an die Neue Deutsche Welle mit einem sanften Kaulitz und poppigen Sound ist ein ziemlicher Ohrwurm. Für die typischen Kraftklub-Fans sind die Erinnerungen an das “Tokio Hotel” aus der Teenie-Zeit durch den Track reanimiert worden.
Das zweite Feature hat Mia Morgan schon auf twitter angekündigt: “Wer hat eigentlich Bock auf blasphemische staatsfeindliche Musik von Kraftklub und mir?” schrieb sie am 19. September. Kraftklub und die sanfte Stimme von Mia nehmen einen mit zur ND-Welle, verdrehten Anarchie-Rufen und Co-abhängiger Liebesgeschichte, die man von Brummer gewohnt ist. “Kein Gott, kein Staat, nur Du” ist die rosarote Umschreibung von “kein Gott, kein Staat, kein Vaterland” und somit für mich ein Anschluss an “Keine Nacht für Niemand”.
Die Vorliebe, für Anarchismus scheint sich gehalten zu haben.
Systemkritik und Angst
Der sanfte Vorbote zu “Angst” klingt um einiges freundlicher, denn dieser Song erinnert nicht nur an Adam Angst und seien Professoren, sondern bekommt mit Verschwörungen, Fremdenhass und der Realsatire des Querdenkers bis zur kompletten monströsen Stimmenverzerrung ein ganz anderes Gefühl. Gänsehaut und Unbehagen – sehr ungewohnt für Kraftklub.
Zwischen dem Gefühl, nichts ändern zu können und auch dem, nicht allein zu sein, finden Kraftklub passende Worte für das Zeitgeschehen.
Die Systemkritik, die wir alle so von der Band gewohnt sind, setzt sich mit Anspielungen auf die Unteilbar-Demo vom 04.09.2021 fort (oder doch die erste Montagsdemo in Leipzig?) und endet in dem Blond-Feature “So Schön”, das die Schönheitsideale und Influencer in einem Dialog besingt. Ob es noch notwendig ist, auf Fake-Bilder hinzuweisen, frage ich mich an dieser Stelle. Ich glaube aber leider, dass es das ist.
Der Zeit bist du egal
Dieses Gefühl ist erdrückend, aber dennoch nicht im Ansatz so traurig umgesetzt, wie ich es dachte. Es ist eher ein Frieden mit der Aussage, der sich in den Texten findet, die von ungewohnt frischen Beats umschlossen sind.
Gemischte Gefühle gibt mir “in meinem Kopf”: Ein etwas schiefer Liebessong, der das Album umklammert und einen eher traurig verabschiedet.
Abschließend kann man sagen, dass Kraftklub mal wieder tanzbare Lieder mit guten Hooks und neue Parolen gemacht haben. Aber es ist die Mischung aus Nostalgie, neuen Stilen und selbstreflektiertem Älterwerden, die dieses Album besonders macht. Die verschiedenen Features geben neue Facetten zu der Vertrautheit und machen das Album “Kargo” zu etwas Eigenem.
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