Die Fröhlichkeit im Trübsinn – Friska Viljor im Interview

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Sechs Alben lang zelebrieren die beiden Schweden Joakim Sveningsson und Daniel Johansson nun schon als Friska Viljor ihre enge Freundschaft mit naiven, euphorischen und nahezu penetrant fröhlichen La-La-La-Melodien. Wie geht man damit um, wenn diese zwei geborenen Sonnenkinder dann vor einem sitzen und von nichts anderem als Schicksalsschlägen und Jahren des Kummers sprechen?

Friska Viljor

Friska Viljor

Friska Viljor Pressefoto 2018

© Dennis Dirksen

Zum Glück sind beiden absolute Ur-Sympathen und manövrieren sich mit Gelassenheit, Humor und – selbstredend – einem kleinen Kater durch die schweren Themen, die ihre letzten zweieinhalb Jahre prägten. Sänger Joakim hat die Trennung von seiner Frau und den Zerfall seiner Familie hinter sich. Das Interview fühlt sich an, wie eine kleine Vorwarnung von Seiten der Band, denn das anstehende Album wird Fans und Kritikern ein Runzeln auf die Stirn zaubern müssen: Friska Viljor, die ewigen Kinder, machen nun ausgerechnet ein Konzept-Album, und zwar auch noch über Joakims persönliche Tragödie. Die kommende Platte „Broken“(VÖ: 11.01.2019) erzählt in chronologischer Reihenfolge die Geschichte von der Trennung, der anschließenden Trauerphase, den zum Teil gravierenden Fehlentscheidungen und dem langsamen Weg der Besserung. Das klingt gar nicht nach Friska Viljor.

Sind das wirklich Friska Viljor?

Auch wenn die Band widersprechen würde, sind die neuen Songs großteils noch immer mit naiven, euphorischen bis manchmal penetrant fröhlichen La-La-La-Melodien gespickt. Aber das ist nichts per se Schlechtes. Im Grunde hatte Friska Viljor schon immer nachdenkliche Texte hinter der Fassade ihrer Hau-Drauf-Fröhlichkeit. Genau so hat die Band schließlich irgendwann ihre Anfänge genommen: betrunken in einer Bar mit gebrochenen Herzen. Mit dem neuen Album bleiben sie in gewohnten Bahnen, gehen aber einen konsequenten Schritt weiter. Dabei gewinnt „Broken“ vielleicht auch ein stückweit an Ehrlichkeit, wie sie uns im Interview verraten.

Das ist das Interessanteste, was wir seit Jahren gemacht haben. Und ich liebe es, so zu arbeiten!

herzmukke: Bei euch hat sich anscheinend einiges getan in den letzten Jahren, besonders bei dir, Joakim. Deine Familie ist auseinandergebrochen. Wie ist es dir danach ergangen?

Joakim: Ich in eine Art Loch gefallen, in einen Ort der Dunkelheit. Also sagte ich damals zu Daniel, dass ich Friska Viljor aufgeben und die ganze Sache einfach auf Eis legen will. Das war der Anfang dieser Zeit. Ich habe versucht, mit all dem Schmerz umzugehen und das Ende meiner Beziehung zu betrauern – und das vielleicht auch nicht immer auf so gute Art und Weise.

Das erinnert mich an etwas. Ich habe euren Auftritt beim Reeperbahnfestival in Hamburg gesehen. Dort habt ihr ausschließlich eure neuen Songs unter dem Pseudonym „Shotgun Sisters“ gespielt. Mir ist ein Song besonders eindrücklich im Kopf geblieben: Der Song „All is Good“ beginnt mit der Zeile „Homeless woman out“. Könntet ihr die Geschichte dazu erzählen?

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Joakim: Das war am Anfang, gleich nach dem Aus meiner Familie. Es ging danach alles ziemlich schnell bergab. Ich ging viel aus, ging in Bars und ich fühlte mich sehr einsam, weil ich meine Kinder nur alle paar Wochen hatte. Und in der Zeit, in der ich sie nicht hatte, fühlte ich mich sehr einsam.
Eines Abends lud ich ein paar Leute, die ich nicht kannte, zu mir ein, weil ich nicht allein zu Hause bleiben wollte. Eine von ihnen war anscheinend eine obdachlose Frau. Wir hatten alle eine Party bei mir. Ich wachte am nächsten Tag auf, als jemand in meinem Hausflur wie verrückt herumschrie. Ich ging also hinaus und sehe die Frau im Flur sitzen. Ich versuchte sie zu beruhigen, aber sie schrie einfach weiter „Wuaaa Wuaaa Wuaaa“, als wäre sie verrückt. Es war einfach zu viel und ich musste sie nach draußen bringen. Ich nahm sie unter meinen Arm und brachte sie heraus, aber sie kämpfte gegen mich an. Also begannen die Nachbarn zu schreien: „Was ist hier los?“. Nach einer ganze Weile, habe ich es letztendlich geschafft, sie herauszubringen, und ich ging wieder in die Wohnung, und stellte fest: Alles ist gestohlen! Mein Computer mit den Songs, meine Kamera mit vielen Bildern von meinen Kinder – alles war weg. Es war einer der absoluten Tiefpunkte, als ich erkannte, dass ich keinen Filter mehr für die Menschen hatte, die ich in mein Haus mitnahm – und alles nur, weil ich mich nicht allein fühlen wollte!

Es tut mir sehr leid, das alles zu hören. Bist du jetzt aus dem Tief heraus?

Joakim: Nicht wirklich. Der Tiefpunkt liegt aber in der Vergangenheit und jetzt bin ich wieder auf dem Weg nach oben. Vor ein paar Monaten, als ich langsam wieder auftauchte und mich etwas besser fühlte, hatte Daniel dann die, naja, „brillante“ Idee, einfach eine Tour für uns zu buchen. Und im selben Satz äußerte er die Idee, aus den letzten Jahren, die ich erlebt hatte, ein Album zu machen. Obwohl Friska Viljor vom Tisch war, hatte ich ihm immer wieder einige Ideen für Songs geschickt, einfach nur weil ich sie mit jemandem teilen wollte. Dann sagte er: Ich denke, wir sollten ein Konzept-Album machen, ein klassisches Trennungsalbum.

Daniel: Genau, die Idee war: Wir stellen diese Lieder über Joakims Trennung nebeneinander – es wäre dann wie ein Art eigener Schrein, ein Traueralbum.

Und Daniel hat die Entscheidung für die Tour einfach so alleine getroffen oder habt ihr euch erst abgesprochen?

Joakim: So ziemlich im Alleingang. Schon auch mit ein wenig Absprache, aber es war bereits alles geplant, als Daniel mir mitteilte, dass die Tour bevorsteht.

Daniel (lacht): Naja, nicht ganz, aber es ist eine bessere Geschichte. Ich hatte allerdings tatsächlich ein Treffen mit einem Booking-Agent, bevor Joakim etwas davon wusste. Ich wollte erst einen Plan haben, bevor ich mit ihm spreche. Das ist für uns nichts Neues. Wir brauchen die Tour vor Augen, um uns durch den Album-Prozess zu zwingen – es ist super langweilig, Platten zu machen.

Wirklich?

Daniel: Musik zu schreiben ist großartig. Touren sind teilweise großartig. Also, auf der Bühne zu sein und das Publikum zu treffen, das ist toll; der Reise-Teil ist eher mittelmäßig. Aber Songs im Studio fertig zu stellen, sie zu mischen, die zig Wiederholungen… das ist alles super langweilig. Es ist harte Arbeit! Um uns durch diesen Aufnahmeprozess zu bringen, buchen wir Touren.

Es ist uns diesmal eigentlich egal, was du denkst oder was andere denken.

Und fühlt es sich im Studio diesmal anders an als früher?

Joakim: Ja, tatsächlich tut es das diesmal.

Wie kommt’s?

Joakim: Erstens ist es ein neues Studio. Das alte ist eingestampft worden, also haben wir den Raum gewechselt und sind jetzt woanders. Das ist einer der Unterschiede. Und der andere ist, dass wir im Moment keine Musik für irgendjemand anderes machen als für uns selbst. Es ist uns diesmal eigentlich egal, was du denkst oder was andere denken. Wenn uns also etwas gefällt, dann lassen wir es laufen und sehen, was passiert. Es gibt keinen Druck von irgendwelchen Seiten – wir entscheiden einfach alles selbst.

Daniel: Das liegt auch am Album-Konzept. Das haben wir dir vorher nicht gesagt: Als wir uns entschieden haben, diese Trennungsalbums-Sache zu machen, haben wir auch gesagt: Lass es uns komplett dogmatisch angehen. Joakims Geschichte ist das, was alles leiten soll: die Reihenfolge der Lieder, welche Lieder überhaupt kommen und so weiter. Wenn es nicht in Joakims Geschichte passt, ist es raus.

Das Album ist also eine Art Chronik der realen Abläufe.

Daniel: Ja, es ist eine „time line“. Das macht es auch diesmal so einfach, alle anderen Personen auszublenden. Es gibt immer nur eine Frage: Passt es zur Geschichte?

Joakim: Egal wie die Songs am Ende klingen, es geht um die Geschichte.

Daniel: Die Medien, das Publikum, all das spielt keine Rolle. Es wird irgendwann noch wichtig werden, aber nicht jetzt bei der Aufnahme. Es ist das erste Mal wieder so, seit unserem ersten Album. Aber damals war es nur so, weil wir gar nicht wussten, dass wir ein Album machen (beide lachen). Das erste Album und das neue sind also diejenigen, bei denen wir frei von äußeren Einflüssen sind.

Also habt ihr keine Angst vor der Meinung der Fans?

Joakim: Nein… Naja… irgendwie schon. Du warst im Reeperbahnfestival. Das war wirklich beängstigend! Weil man nicht wusste, wie das Publikum auf die neuen Songs reagieren wird. Weil die neuen Songs ganz anders sind als wir normalerweise klingen. Deshalb haben wir sie nicht als Friska Viljor gespielt, sondern unter dem Pseudonym „Shotgun Sisters“. Wir wollten sagen: „Dies ist kein normales Friska Viljor Konzert.“ Denn sonst erwarten die Leute vielleicht einen Sound wie (fröhlich singend) „heydupdi dipdidi“. Das war also ziemlich beängstigend… aber die Songs zu machen, das ist nicht beängstigend. Es ist jetzt mehr das Live-Ding.

Habt ihr überlegt, bei dem Namen „Shoutgun Sisters“ fest zu bleiben, wenn das neue Album so sehr anders wird?

Daniel: Nein, wir haben zwar noch keine Setlist für die Konzerte, aber wir werden auch die alten Songs spielen. Wir müssen schließlich zwei Stunden füllen.

Wird es seltsam für euch werden, die alten, fröhlichen Songs zu spielen, nach dem Trauma, das ihr auf dem neuen Album verarbeitet?

Joakim: Nein, nicht wirklich, weil es beim Auftritt einfach ist, in die Vergangenheit zurückzuspringen. Die Lieder sind mit Emotionen verknüpft; sie spiegeln bestimmte Momente und Ausschnitte aus deinem Leben. Mit jedem Wort, das du singst, bist du sofort wieder zurück in dem Augenblick. Ich kann einfach springen.

Nun eher eine allgemeine Frage, die ich mich immer bei euch gefragt habe: Eigentlich ist es nichts Neues, dass ihr traurige oder zumindest nachdenkliche Texte habt und trotzdem habt ihr diese sehr poppigen, fröhlichen, leichtfüßigen Melodien, aber eben mit melancholischen Texten. Wie kommt das zustande?

Wir sind natürlich schon traurig über das, was wir gerade singen, aber irgendwie ist das Leben ja insgesamt eigentlich gar nicht so schlimm.

Daniel: Joakim hat das einmal sehr gut gesagt: Wir waren vielleicht einfach nie ganz ehrlich – wir verpacken und maskieren unsere Gefühlswelt ein bisschen. Wir sind natürlich schon traurig über das, was wir gerade singen, aber irgendwie ist das Leben ja insgesamt eigentlich gar nicht so schlimm. Aber jetzt beim neuen Album ist es anders: Wir tauchen direkt in die Dunkelheit ein, sowohl lyrisch als auch musikalisch, und warten ab, was das mit sich bringt.

Joakim: Ja, es hat diesmal keinen Sinn ergeben, die Songs fröhlich zu gestalten. Für mich fühlte es sich diesmal so viel schlimmer an als beim ersten Mal, als es geschah. Denn auf die gleiche Weise haben wir ja auch die Band überhaupt gegründet: wegen Trennungen und gebrochenen Herzen. Aber damals war es nicht dasselbe, ohne Familie und Kinder. Diesmal machte keinen Sinn, Fröhlichkeit darüber zu stülpen.

Das ganze Album wird sich so ziemlich um Joakim, seine Geschichte und seine Gefühle drehen. Aber Daniel, du schreibst ja auch Songs. Werden sie nicht auf dem Album sein?

Daniel: Nein, werden sie nicht. Das war genau die Frage, als wir mit dem Album anfingen und uns mit der Art der Songs beschäftigten, die wir darauf haben wollten. Meine Lieder zu nehmen oder selbst Joakims andere Lieder, die sich nicht um dieses Thema drehten – diese neben denen von Joakims Geschichte zu platzieren, das fühlte sich… einfach falsch an. Ich hatte das Gefühl, dass es hier etwas Größeres zu erzählen gibt, einen roten Faden, und wir wollten sehen, was passiert, wenn wir ihm folgen.

Joakim: Und Daniels Songs werden dann ein paar Monate später auf einem anderen Album erscheinen.

Daniel: Ja, wir versuchen, ein weiteres Album hinterher zu veröffentlichen. Aber das hier, das nächste Album, das ist das Interessanteste, was wir seit Jahren gemacht haben. Also habe ich diesmal nichts damit zu tun. Und ich liebe es, so zu arbeiten! Es ist nur Joakims Herz, das wir breittreten. (Beide lachen)

Ist es nicht seltsam für dich, Daniel, diese sehr persönlichen Lieder von ihm zu spielen und aufzuführen?

Daniel: Nein. Wenn ich ihn nicht gekannt hätte, wäre es vielleicht so gewesen, aber er ist ja mein bester Freund, also ist es ok. Ich meine, Musik ist eben so. Du kannst dir Songs von einem fremden Künstler anhören, der nicht aus deinem Land stammt und den du noch nie getroffen hast, und trotzdem trifft es dich und berührt dich. Es sind seine Klänge und seine Gefühle, die dir das antun. Und in unserem Fall ist es sogar noch näher! Und das ist es, worum es bei der Musik geht: Es geht um das Teilen, denke ich.


Friska Viljor sind im Januar auf Tour. Ihr Album erscheint am 11.01.2019.

Video: Friska Viljor – Unless You Love Me


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